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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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nur irgend möglich, unterstützt, bis hin zur Gefährdung seines Lebens, und er hatte mir gezeigt, daß in dieser Welt alles zusammenhängt, wo beim Geschäftemachen Politik und Bhaigiri 073 ins Spiel kommen, wie es sich am besten leben ließ. Dieserart war unsere Freundschaft. Er war ein guter Mensch, soweit er es sein konnte, war durch seine harte Arbeit fett geworden, seine Körperfülle war also seine Tugend. Und deshalb war ihm sein Fett auch keine Last.
    Das ganze Haus duftete nach Essen. Ich hatte Hunger, war aber sterbensmüde, und ich wußte, daß ich vom Essen noch müder werden würde. Doch zu gehen, ohne etwas zu essen, wäre eine Beleidigung gewesen, also nahm ich einen Teller und aß ein paar Happen, dann raffte ich mich hoch, gab meinen Jungs ein Zeichen und erklärte Paritosh Shah, er solle sich um seine Gäste kümmern, als er mich an die Tür bringen wollte. Nach einigem Hin und Her brachen wir schließlich auf. Ich suchte gerade in den Unmengen von Schuhen an der Eingangstür nach meinem Paar, als Dipika zu mir kam. Dipika war Paritosh Shahs zweitälteste Tochter, eine Stille mit ernstem Gesicht und großen, großen Augen. Sie hielt mir einen Teller mit Puris und ein Glas hin und sagte: »Aber Sie haben ja noch gar keinen Ras genommen, Ganesh-bhai.« Das hatte ich wohl, aber ich nahm gern einen weiteren Puri von ihr an, wo sie doch so höflich war. Als ich danach griff, flüsterte sie mir mit gesenktem Kopf zu: »Könnte ich mal mit Ihnen reden, Ganesh-bhai?«
    Also nahm ich sie mitsamt Teller und Glas mit zum Auto, und wir unterhielten uns. »Die reden schon über meine Heirat«, sagte sie bitter. »Obwohl meine Schwester noch nicht mal verheiratet ist.«
    »Das ist doch klar«, sagte ich. »Sie sind deine Eltern. Und du wirst glücklich sein, Heiraten ist doch etwas Gutes.« Ich wußte, daß sie aufs College ging, und vermutete, daß sie irgendwelche modisch-emanzipierten Einwände gegen das Heiraten hatte, irgendwelche Vorstellungen von Beruf und Karriere, die sie einer dieser albernen Zeitschriften entnommen hatte, und so begann ich ihr einen Vortrag darüber zu halten, was ihre Pflicht und was das wahre Leben sei. Sie rutschte unruhig herum, raschelte mit ihrem rotgrünen Rock und ihrem goldenen Tuch.
    »Aber Ganesh-bhai«, sagte sie.
    »Kein Aber«, sagte ich. »Deine Eltern haben recht.«
    »Aber Ganesh-bhai«, sagte sie, nun in leicht klagendem Ton. »Ich will doch heiraten.«
    Als ich sah, wie ihre glatte Stirn sich peinvoll runzelte, begriff ich schlagartig, daß es hier um etwas weitaus Heikleres ging als um Mädchenphantasien über eine berufliche Laufbahn. »Was?« sagte ich. »Denkst du an jemand Bestimmten?«
    »Ja.«
    »Woher kennst du ihn? Aus dem College?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das N. N. College ist eine Mädchenschule. Ich bin mit seiner Schwester befreundet. Sie ist auch auf dem N. N. College.«
    »Wie heißt er?«
    Wenigstens besaß sie noch die schickliche Schüchternheit. Nach zwei Anläufen und heftigem Erröten bekam sie den Namen über die Lippen.
    »Prashant.«
    »Und was ist das Problem? Ist er kein Gujarati?«
    »Nein, Ganesh-bhai.«
    »Was dann? Ein Marathe?«
    Rasches Kopfschütteln, und nun umklammerte sie den Teller wieder krampfhaft.
    »Was dann?«
    Ihr Gesicht hing fast im Teller. »Ein Dalit«, sagte sie. »Und arm ist er außerdem.«
    Ihr Problem war gigantisch, so riesenhaft wie ihr Vater. Ich hatte immer wieder die Erfahrung gemacht, daß die Gujaratis fortschrittlicher und toleranter waren als andere Gemeinschaften, aber dies würde das Verständnis ihres Vaters überstrapazieren. Geschäfte machte er mit jedem, aber eine Heirat war doch etwas anderes. Er hatte sie aufs College geschickt, aber nicht für so etwas, nicht damit sie irgendeinen Gaandu heiratete, der nicht nur ein Dalit, sondern gar ein armer Dalit war. Ein sehr reicher Dalit wäre vielleicht akzeptabel gewesen, aber ich hörte Paritosh Shah schon sagen: »In diese Familie sollen wir einheiraten?« Ihre Mutter und ihre Tanten würden schroffer in ihrer Ablehnung sein, radikaler. Die junge Dipika hatte einen harten Kampf vor sich. »Warum willst du deiner Familie das antun?« fragte ich. »Wir sind doch nicht im Film. Dein Vater wird deinen Prashant in Stücke reißen.«
    Sie heftete ihren Blick auf mich, ihr Rückgrat streckte sich, und ihr Hals nahm in ihrem Ärger etwas Anmutiges an. »Ich weiß, daß das kein Film ist«, sagte sie. »Ich werde sterben, Ganesh-bhai. Wenn ihm irgend

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