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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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hatte all seine ungestüme Kraft und Energie verloren. Vier Monate später starb er friedlich im Schlaf.
    Sartaj seufzte. Die Geschichte war zu Ende. Wie alle Polizeigeschichten, die Katekar so gern erzählte, hörte auch diese abrupt auf und blieb rätselhaft, ohne eine Moral oder auch nur einen Sinn. Sartaj hatte sie schon einmal gehört, von anderen, und er glaubte sie im großen und ganzen auch, obwohl sie während des Weitererzählens zweifellos ausgeschmückt und verändert worden war.
    »Da sind sie«, sagte Sartaj. Drei Gestalten warfen ihre Schatten auf den Gehsteig, Weit entfernt, zu weit, um sie zu erkennen, aber Sartaj wußte, daß es Männer waren und daß es Mörder waren. Er spürte es in seinen Nüstern und in seinen Zähnen. Er hatte sich gespannt aufgerichtet und zwang sich nun, zu seiner vorgetäuschten Schlafhaltung zurückzukehren. Er wartete.
    »Wie heißen sie noch mal?« flüsterte er.
    »Bazil Chaudhary, Faraj Ali und Reyaz-bhai.«
    In einiger Entfernung bog ein Auto um die Ecke, ganz schwach war das Summen einer Straßenlaterne zu hören, und von den Gleisen her ertönte ein metallisches Klirren -die Stille in der Stadt. Die drei Männer passierten Kambles Standort und dann das erleuchtete Fenster. Katekar stöhnte. Doch plötzlich blieben sie stehen und machten kehrt. Einer reckte den Arm hoch und rüttelte unten an der Tür im ersten Stock. »Okay«, sagte Sartaj. Katekar glitt unter dem Karren hervor und hielt sich rechts, Sartaj links.
    »Polizei!« rief Sartaj. »Hände hoch! Keine Bewegung!« Irgendwo am Rand von Sartajs Gesichtsfeld regten sich Kambles Leute. Die drei Apradhis klammerten sich aneinander und erstarrten, ein Bild wie eine Karikatur, dann liefen sie nach rechts und links los. Einer rannte die Straße hinauf, und Sartaj ließ ihn laufen. Er konzentrierte sich auf den Mittleren, der erst nach vorn und dann wieder zurück gerannt war und jetzt hin und her jagte. In seiner Hand glitzerte etwas. »Laß das fallen, Maderchod! Laß das fallen! Hände hoch, oder ich reiß dir den Kopf ab!« Etwas fiel klappernd auf die Straße, Hände fuhren hoch, und Sartaj riskierte einen Blick nach rechts. Katekar zielte in eine schmale Lücke zwischen den Hütten, einen Spalt, der zu dem Zaun führte.
    »Raus damit, Bhenchod«, rief er. »Wirf das raus!«
    Eine rechteckige Klinge wirbelte ins Licht. Ein Hackmesser, dachte Sartaj. Diese Idioten laufen immer noch mit ihren Hackmessern herum. Das Hochgefühl des Sieges pulsierte noch in seiner Kehle, als plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Spalt hervorbrach und gegen Katekar prallte. Sartaj hörte ein Zischen, und dann saß Katekar am Boden und der Apradhi rannte davon. Sartaj trat zwei Schritte zurück, legte an, visierte über Kimme und Korn und schoß zwei-, drei-, viermal auf die vorbeifliegende Silhouette des Apradhis. Der Apradhi sackte zusammen. Nach und nach klärte sich die Szene vor Sartajs geblendeten Augen. Katekar saß noch immer am Boden.
    Sartaj kniete neben ihm nieder. Dunkles Naß spritzte gleichmäßig pulsierend aus Katekars Hals.
    »Die Schlagader«, sagte Kamble irgendwo neben Sartaj.
    »Den Gypsy!« rief Sartaj. »Holt den Gypsy!« Er tastete nach seinem Taschentuch und drückte es auf die Wunde. Das Blut quoll glatt durch seine Finger und lief ihm übers Handgelenk.
    »Hier«, sagte Katekar ruhig, »hier.«
    Zu dritt hoben sie ihn in den Wagen. Während Sartaj seine Beine verstaute, flüsterte ihm Kamble ins Ohr, so nahe, daß Sartaj seine Lippen an seinem Bart spürte: »Die Apradhis sind alle drei bei der Schießerei umgekommen, klar?«
    Die leise Stimme drang durch Sartajs dröhnende Panik. Er schüttelte den Kopf, lief um den Wagen herum und hievte sich in den Sitz. Kamble schlug auf der anderen Seite die Tür zu. Das Licht fiel von oben auf sein Gesicht und teilte es in schwarze und goldene Dreiecke. »Alle drei«, wiederholte er. »Alle drei erledigt.«
    Doch zum Reden war keine Zeit. Sie rasten an dem verschwimmenden Zaun entlang, und Sartaj preßte die Hand auf Katekars Wunde und versuchte ihn ruhig zu halten. Erst jetzt begriff er, was Kamble gesagt hatte. Der Jeep legte sich in eine Linkskurve, und Sartaj hörte die Schüsse, ein mehrfaches Knallen, schnell hintereinander.
    In der Jivnani-Privatklinik wurde Ganpatrao Popat Katekar um zwei Uhr fünfundvierzig für tot bei Einlieferung erklärt.

    Sartaj fühlte sich alt. Er hatte in den Papieren gesehen und sich dann auch wieder erinnert, daß Katekar fünf

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