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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Die Gebäude stürzten in rasantem Tempo auf uns zu, ich hatte keine Angst mehr, versuchte vielmehr zu erkennen, was zerstört war, was in Flammen stand.
    Das Flughafengebäude war voller Menschen, die zusammengedrängt auf dem Boden hockten oder schliefen, die Köpfe auf Taschen und Koffer gebettet. Es fuhren keine Taxis, keine Autos. Die Telefonleitungen waren immer noch tot, wir konnten also nicht in Gopalmath anrufen. Eine Weile schien es, als gäbe es tatsächlich keine Möglichkeit, nach Gopalmath zu gelangen, doch Chhota Badriya ging hinaus und spazierte zwischen den Taxireihen herum, bis er die Fahrer in der Nähe eines Polizeipostens zusammensitzen sah. Nach einer halben Stunde Überzeugungsarbeit und heftigem Wedeln mit Tausend-Rupien-Scheinen schien einer der Fahrer weichgekocht zu sein, also zog ihn Chhota Badriya beiseite und sagte ihm, er solle keine Angst haben, er werde Ganesh Gaitonde chauffieren. Das beruhigte den Taxifahrer natürlich, und so quetschten wir uns alle sechs in seinen Wagen und fuhren hinaus in die gewaltige Stille. Der strapazierte Motor kam mir zu laut vor, und als ich dem Fahrer sagte, er solle schneller fahren, schneller, fiel mir auf, daß ich flüsterte. Niemand war an diesem Tag auf den Straßen, keine Menschenseele, die Bastis in der Nähe des Flughafens waren wie ausgestorben, in den Hotels an der Schnellstraße regte sich nichts, an den Fenstern der Mietskasernen waren die Läden geschlossen. Uns allen war ungemütlich zumute, außer dem Fahrer, der mit jedem Meter unter meinem Schutz an Zuversicht gewann. Kurz vor Gopalmath sahen wir zwei Leichen vor einem Schuhgeschäft und Blut an der Hauswand.
    Wir rollten knirschend die Straße entlang, über Glassplitter, Schuhe und Stöcke. Subhadra hatte die Augen geschlossen. Jetzt kam die vertraute Abbiegung nach links ins Basti. Der Straßenbelag war hier glatt gewesen, vor zwei Monaten erst hatte ich ihn neu machen lassen. Jetzt war der Asphalt mit Geröll, Steinen, Ziegeln bedeckt. Die verkohlte Karosserie eines ausgebrannten Autos lehnte an einem Laternenpfahl. Ein Schrei ertönte, und vor der ersten Häuserreihe von Gopalmath erschien ein Mann, der anklagend mit dem Finger auf uns zeigte. Er hatte ein Schwert in der Hand, tanzendes gebogenes Silber.
    »Hey, Bunty«, rief Chhota Badriya, worauf Bunty erstaunt zum Taxi gelaufen kam, gefolgt von den Jungs aus Gopalmath. Bhai, Bhai, riefen sie. Sie waren alle bewaffnet, waren mit Schwertern und Lathis, großen Nägeln und Stöcken, Messern und Pistolen ausstaffiert. Ich fragte: Was ist denn hier passiert? Die Landyas sind gekommen, Bhai, aus dem Basti Janpura, sie haben behauptet, einer unserer Jungs hätte einen von ihnen erstochen, also haben wir es ihnen gezeigt, Bhai, wir haben sie auf ihre stinkende Müllhalde zurückgescheucht. Ich fragte: Und was ist mit den Moslems in Gopalmath, ist bei denen alles in Ordnung? Im Osten von Gopalmath wohnten rund sechzig islamische Familien, zumeist Schneider und Fabrikarbeiter, und einige der Söhne arbeiteten für mich. Doch meine Jungs zuckten auf meine Frage nur mit den Achseln. Was ist los, fragte ich noch einmal, ist bei denen alles in Ordnung? Sie sind weg, Bhai, sagten sie.
    »Wo denn?« fragte ich. »Wo sind sie?«
    Das weiß keiner, Bhai. Sie sind weg. Abgehauen. Geflohen.
    »Hat ihnen jemand etwas getan? Was ist passiert?«
    Sie sind einfach weggegangen, Bhai.
    »Und ihre Häuser?«
    Übernommen, Bhai. Da wohnen jetzt andere Leute drin.
    »Wer? Jemand von euch?«
    Ja, ein paar von uns, Bhai.
    Chhota Badriyas Gesicht war starr. Er war in der Company hochangesehen, und bis jetzt hatte seine Religionszugehörigkeit nie eine Rolle gespielt. Ich nahm ihn am Arm, führte ihn fort. »Hör nicht auf diese Dummköpfe«, sagte ich. »Nimm es dir nicht zu Herzen. Sie sind jung, und diese ganze Geschichte hat ihnen den Kopf verdreht. Sie wissen nicht, was sie da reden.«
    Aber seine Augen waren von Tränen erfüllt. »Ich hätte für jeden von ihnen mein Leben gegeben«, sagte er. »Und jetzt bin ich nur noch ein Landya für sie? Diese Scheißkerle. Wollen sie demnächst auch mein Haus?«
    »Badriya«, sagte ich, »es ist keine gute Zeit. Behalt einen kühlen Kopf, bleib ruhig. Hör auf mich. Hör nur auf mich.«
    Ich hatte die Hände auf seinen Schultern liegen, und schließlich ließ er zu, daß ich ihn an mich drückte. Ich schickte ihn nach Hause zu seiner Familie, von vier unserer besten Jungs eskortiert, denen ich sagte, wenn Chhota

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