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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Badriya oder jemandem aus seiner Familie etwas zustoße, würde ich sie höchstpersönlich erschießen.
    Dann schaute ich mich um, betrachtete die Häuser von Gopalmath. Ich hatte diesen Ort nur kurz verlassen, und schon war er zum Schlachtfeld geworden. Jemand hatte auf meiner Vatan 655 Grenzen gezogen. Meine Nachbarn waren jetzt Flüchtlinge, sie waren vor blanken Schwertern, vor Leichen am Straßenrand geflohen. Da lag es, mein Gopalmath, meine Heimat, der Ort, den ich Backstein um Backstein hatte erbauen lassen, durch den ich mit meinen Freunden gezogen war, wo ich meine Männlichkeit, mein Leben gefunden hatte, der Ort, an dem mein Herz hing. Menschenleer lag es da. Und im Süden, ganz am Rand des Horizonts, Rauchschwaden wie Schandflecken. Unter einem unerträglich heiteren Himmel führte ich meine Braut heim.

    Die Unruhen endeten drei Tage später. Meine Impotenz dauerte fort. Wir reinigten die Straßen, wir trugen die Verwundeten zusammen, ich gab den Familien derer, die im Krankenhaus lagen, Geld, und unterdessen richtete sich Subhadra in meinem Haus ein und wurde für meine Jungs zur »Mummy«. Binnen weniger Tage hatte sie ihr Vertrauen gewonnen, war ihre Fürsprecherin und Vermittlerin, wenn mich die Wut packte. Das Haus war plötzlich sauber, in jedem Zimmer tauchten Götter und Göttinnen auf, mein Magen fühlte sich leichter und zufriedener an, weil ich anders aß, meine Hemden hingen in einer ordentlichen Reihe gebügelt im Schrank, und trotzdem hatte ich ständig Angst. Wenn ich sie nebenan sprechen hörte, freundlich und mit glockenreiner Stimme, befürchtete ich, sie erzähle gerade jemandem, daß ich zu nichts zu gebrauchen sei, daß ich mich ihr nicht einmal näherte, mit den Armen über dem Kopf auf meiner Seite des Bettes lag und ihr sagte, sie solle reden, bis ich einschlief. Nein, das würde sie niemandem erzählen. Aber vielleicht würde es ihr entschlüpfen, vielleicht würde irgendeine Frau aus dem Basti eine Bemerkung machen, Subhadra mit ihrer Fröhlichkeit aufziehen, einen kleinen, etwas anzüglichen Scherz über Ehebetten, Nächte, grausame Männer und schmerzende Glieder machen, und Subhadra würde in aller Unschuld lachen und heraussprudeln: Oh, aber das machen wir doch gar nicht. Er will nicht, er kann nicht. Er kann nicht, kann nicht, kann nicht. Ich floh vor ihrer Stimme und verbrachte meine Tage damit, mich von einem Treffen zum nächsten fahren zu lassen. Ich aß in feinen und schäbigen Restaurants zu Mittag, und abends saß ich in Tanzbars und schaute stumpf zu, wie die Mädchen Pirouetten drehten. Sie ließen mich alle kalt.
    Chhota Badriya fiel das auf. Er war in der letzten Zeit ziemlich still gewesen, war sichtlich verstört von dem, was geschehen war, von der Zerstörung der Moschee, von dem Keil, den die Ereignisse zwischen die Parteien in der Company getrieben hatten. Also sorgte ich dafür, daß er immer in meiner Nähe war, nahm ihn überallhin mit. Und ich merkte, daß er sich anstrengte, daß er mir zuliebe gegen sich selbst ankämpfte. Er versuchte sich um mich zu kümmern. »Bhai, diese Tänzerinnen sind einfach zweitklassig. Ich habe etwas Besseres für Sie.«
    »Etwas viel Besseres? «
    »Schauspielerinnen, Bhai. Stars.«
    »Jede einzelne von denen hier will ein Star sein, Chutiya.«
    »Nein, nein, Bhai. Echte Schauspielerinnen, wirklich. Versprochen.«
    Damals machte gerade alle Welt auf Fernsehproduzent. Ölhändler und Taxibesitzer produzierten plötzlich Fernsehserien. Einer von diesen vielen war Chhota Badriyas Cousin, und der wiederum hatte Chhota Badriya von einer Frau erzählt, die eine Agentur für Models und Schauspielerinnen betrieb und sich ebenfalls als Fernsehproduzentin versuchte. Natürlich kam diese Frau mit vielen jungen Mädchen in Kontakt, die alle neu in der Stadt waren, hübsch, jung und unerfahren, und sich abstrampelten, um ihr Glück zu versuchen.
    »Und sie sorgt dafür, daß sie sich ab und zu etwas Geld dazuverdienen können?«
    »Genau, Bhai. Sie wissen ja, wie schwer man es in dieser Stadt hat. Wie soll sich eine junge Schauspielerin in dieser Stadt allein über Wasser halten? Sie hilft ihnen, Bhai, sie hilft ihnen.«
    »Na, dann sollten wir ihnen auch helfen. Wie heißt denn diese Heilige?«
    »Jojo.«
    Jojo. Ein seltsamer Name, aber die Mädchen, die sie schickte, lagen tatsächlich eine Stufe über der durchschnittlichen Randi. Sie waren gebildet, und einige von ihnen sprachen Englisch. Bei ihnen konnte ich. Ich wurde schnell

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