Der Pate von Bombay
man es groß baut oder klein - ein sicheres Haus gibt es nicht. Gewinnen heißt alles verlieren, und das Spiel gewinnt immer.«
Sartaj spürte das blecherne Vibrieren des Lautsprechers in der Brust. Der Bulldozer ließ einen Fanfarenstoß ertönen, der ihn an die Tür preßte. Das Maß war voll. Er ließ die Trommel einrasten und ging die Stufen hinunter. »Okay«, rief er. »Los, los, los!« Er schwenkte die Waffe zur Tür hin. Der Lautsprecher summte wieder, aber Sartaj achtete nicht darauf. Im Weggehen glaubte er über dem Dröhnen des Motors noch einige Worte zu hören, eine Frage.
»Sartaj Singh, glauben Sie an Gott?«
»Los, Bashir Ali, vorwärts!« rief Sartaj. Bashir Ali hob die Hand, und Sartaj zeigte mit steifem Finger auf ihn. »Setzen Sie das Ding in Bewegung.«
Bashir Ali duckte sich in seinem hohen Sitz, und das Ungetüm ruckte vorwärts, an Sartaj vorbei, und prallte dumpf knirschend in einer aufstiebenden Verputzwolke gegen das Gebäude. Doch nachdem der Bulldozer zurückgesetzt hatte, stand das Haus so unversehrt und unangreifbar da wie zuvor, die Tür nicht einmal eingedellt. Nur die Videokamera war kaputt: Halb plattgewalzt lag sie am Boden. Ein anhaltendes Johlen stieg aus der Menge der Schaulustigen auf und schwoll an, als Bashir Ali den Motor abstellte.
»Was war das?« fragte Sartaj.
Bashir Ali stieg von seinem Sitz herab und trat in den Schatten des Bulldozers. »Was haben Sie anderes erwartet, wenn ich's nicht so machen darf, wie es sein müßte?«
Beide wischten sich weißen Staub von der Nase. Auf der sonnenbeschienenen Seite des Bulldozers skandierte die Menge: »Jai 281 Gaitonde, Jai Gaitonde!«
»Und Sie wissen, wie es sein müßte?«
Bashir Ali zuckte die Schultern. »Ich habe eine Idee.«
»Gut. In Ordnung. Machen Sie's, wie Sie wollen.«
»Dann gehen Sie aus dem Weg. Und holen Sie Ihre Leute von dem Gebäude weg.«
Als Bashir Ali sein Roß auf dem Kies drehte, sah Sartaj, was für ein Künstler er war. Seine Hände bewegten die Hebel flink und geschickt, und er legte sich synchron mit dem ächzenden Getriebe in die Kurven. Er fuhr das Planierschild hoch und senkte es wieder, brachte es exakt in Stellung, die untere Kante auf gleicher Höhe mit der Tür. Dann setzte er, den Arm lässig auf der Rücklehne, drei, sechs, neun Meter zurück. Er steuerte schräg auf das Haus zu, und seine Zähne blitzten, als er grinsend an Sartaj vorbeifuhr. Diesmal hörte man Metall kreischen, und als die Maschine zum Stillstand gekommen war, sah Sartaj, daß die Tür eingedrückt war. Ein Sprung lief weit in das Mauerwerk hinauf.
»Zurück!« rief Sartaj. Mit gezücktem Revolver rannte er nach vorn. »Weg da, zurück!« Dann war Bashir Ali verschwunden, und Sartaj lehnte an einem der Türpfosten, Katekar am anderen. Ein eisiger Luftzug kam aus dem Haus, und im Nu war der Schweiß in Sartajs Gesicht und an seinen Armen getrocknet. Einen Moment lang beneidete er Gaitonde um seine Klimaanlage, um die Kühle, die seine Verwegenheit ihm beschert hatte. Und einen Moment lang stieg irgendwo tief in seinem Innern, ungebeten und ekelerregend wie ein Galletropfen, eine winzige Blase der Bewunderung auf. Er holte tief Luft. »Meinen Sie, das Gebäude hält?« fragte er Katekar.
Katekar nickte. Er schaute durch die Tür in den Kubus, und sein Gesicht war dunkel vor Zorn. Sie gingen hinein, Sartaj voraus, doch an der ersten Zimmertür schob sich Katekar an ihm vorbei. Hinter ihnen das Rascheln der anderen. Sartaj versuchte über dem Hämmern seines Herzens etwas zu hören. Er drang nicht zum ersten Mal auf diese Weise in ein Haus ein, aber jedesmal wieder schlug ihm das Herz bis zum Hals. Es war sehr kalt in dem Gebäude, die verschwenderische Beleuchtung gedämpft. Sie liefen über Teppiche. Es gab vier quadratische Zimmer, alle weiß, alle leer. Und genau in der Mitte des Baus führte eine Metalltreppe fast senkrecht nach unten. Sartaj nickte Katekar zu und folgte ihm hinab. Sie gelangten an eine Metalltür, die nicht verschlossen, aber sehr schwer war. Als Katekar sie endlich aufgewuchtet hatte, sah Sartaj, daß sie dick war wie die Tür zum Tresorraum einer Bank. Drinnen war es dunkel. Sartaj zitterte heftig. Er schob sich an Katekar vorbei, und nun entdeckte er zu seiner Linken ein bläuliches Licht. Katekar trat mit einem großen Schritt wieder vor ihn und streifte dabei seine Schultern. Sie tasteten sich weiter, die Waffen starr vor sich. Noch ein Schritt. Dann erkannte Sartaj eine Gestalt,
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