Der Pate von Bombay
an der äußersten Ecke um. Frauen, einige sehr jung, in Studioposen, Blick über die Schulter, Gesicht in die Hände gestützt, vorgereckte Hüfte, dezent gekleidet, aber alle atemberaubend attraktiv.
»Alle seine Frauen«, sagte Sartaj.
»Alle seine Randis 524 .« Katekar wickelte sich das blaue Taschentuch um den Zeigefinger und öffnete vorsichtig den hüfthohen Aktenschrank am anderen Ende des Schaltpults. Über dem Summen der Generatoren hörte Sartaj, wie er die Luft einzog. »Sir.«
Der Aktenschrank war voller Geld. Es war neues Geld, Fünfhundert-Rupien-Scheine in sauberen kleinen Bündeln, noch mit den Banderolen und Gummibändern der Central Bank of India, zu je fünfen in Plastikfolie verpackt. Katekar griff in den Spalt zwischen den Stapeln der obersten Schicht. Darunter war mehr. Und darunter noch mehr.
»Wieviel?« fragte Sartaj.
Nachdenklich klopfte Katekar gegen die Seite des Aktenschranks. »Der ist bis oben voll. Scheint eine ganze Menge zu sein. Fünfzig Lakhs? Mehr.«
Es war mehr Geld, als sie beide je auf einmal gesehen hatten. Eine Entscheidung mußte gefällt werden. Sie wechselten einen freimütigen Blick, und Sartaj entschied. Mit dem Knie stieß er die Schranktür wieder zu. »Zuviel«, sagte er.
Katekar seufzte. Einen Moment schaute er wehmütig drein, das war alles. Er selbst hatte Sartaj diese wichtige Überlebensregel beigebracht: Ohne genügend Information nach einer fetten Beute zu greifen beschwört Unheil herauf. Schnaubend und mit einem breiten Grinsen schüttelte er sich, löste sich von der Faszination des großen Geldes. »Die da oben werden sich um Gaitondes Geld kümmern«, sagte er. »Warten wir?«
»Wir warten.«
Der Bunker war voller Menschen: Labortechniker und Fotografen, höhere Polizeibeamte aus drei Bezirken und von der Kriminalpolizei. Gaitonde saß in der Mitte des Raumes, im vollen Licht und irgendwie geschrumpft. Sartaj beobachtete Parulkar, wie er sich über ihn beugte und einen Bezirkskommissar auf irgend etwas hinwies. Parulkar war in seinem Element, wenn er eine erfolgreiche Operation mit den wichtigen Leuten erörtern konnte, und Sartaj war ihm dankbar dafür. Parulkar würde die ganze Aktion zweifellos aufpolieren und überhöhen und Sartajs Anteil daran übertreiben. So etwas lag ihm, und Sartaj war in dieser Hinsicht auf ihn angewiesen.
Drei Männer kamen rasch die Treppe herunter. Sartaj hatte sie noch nie gesehen. Der vorderste hatte so kurz geschorenes Haar, daß die Kopfhaut durch das gepflegte Grau schimmerte. Er zückte einen Ausweis und richtete das Wort an Parulkar. Parulkar hörte zu und wurde sehr still, doch seine Züge gaben nichts preis. Er nickte und führte den Igelkopf mit den anderen beiden zu Sartaj.
»Das ist der Beamte«, sagte er zu dem Igelkopf. »Inspektor Sartaj Singh.«
»Ich bin SP 600 Makand, CBI 100 .« Es klang schroff. »Haben Sie etwas gefunden?«
»Geld«, sagte Sartaj. »Ein Fotoalbum. Seine Taschen haben wir noch nicht durchsucht, wir wollten warten, bis ...«
»Gut«, sagte Makand. »Ab jetzt übernehmen wir.«
»Können wir noch irgend etwas tun?«
»Nein. Wir bleiben in Kontakt. Ziehen Sie Ihre Leute ab.« Makands Begleiter gingen bereits durch den Raum und forderten die Labortechniker auf, Schluß zu machen.
Sartaj nickte. Daß man ihm Gaitonde wegnehmen würde, hatte er erwartet. Niemand konnte sich erklären, weshalb Gaitonde in Bezirk 13 aufgetaucht war; daß seine Laufbahn in Kailashpada so abrupt geendet hatte, war ein zu perfektes Geschenk, das man Sartaj nicht allein überlassen würde. Das Leben ließ solch ungetrübtes Glück nicht zu. Doch Makand schickte ihn übermäßig grob fort, selbst für einen so hochrangigen Beamten. Parulkar, weich wie Butter, protestierte nicht, erhob nicht den leisesten Einwand, und so folgte Sartaj seinem Beispiel, rief Katekar heran und ging.
Es war Abend. Sartaj stand im Schutz der Stahltür im Halbdunkel und sah, daß hinter den Polizei-Jeeps Reporter warteten. Neben ihm machte sich Parulkar für die Presse bereit.
»Sir«, sagte Sartaj, »warum haben die uns rausgeschmissen? Braucht das CBI keine Unterstützung von der hiesigen Polizei?«
Parulkar schob sein Hemd straffer in die Hose und rückte seinen Gürtel zurecht. »Die haben ziemlich angespannt gewirkt. Ich glaube, sie hatten Angst, daß irgendwas da drin ans Licht kommt.«
»Sie wollen etwas vertuschen?«
Parulkar neigte mit einem überlegenen Lächeln den Kopf. »Beta 068 «, sagte er, »wenn
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