Der Pate von Bombay
zahlen mußte und eigentlich außer Papier und Schreibwerkzeug nichts brauchte. Er sollte gut ernährt, ordentlich gekleidet und einmal im Monat ins Krankenhaus gebracht werden. Und wer ihn beim Zeichnen störte, hatte sich mir zu verantworten.
Mathu zeichnete also sein Leben. Ich wiederum hatte im Gefängnis Zeit, über das meine nachzudenken. Trotz all der Tragödien hatte ich ein gutes Leben gehabt, das erkannte ich wohl. Ich war berühmt, mächtig und auf dem besten Wege, noch berühmter und noch mächtiger zu werden. Ich hatte Niederlagen erlitten, aber ich wußte, wie man sich davon erholt und darauf reagiert. Ich lernte aus meinen Fehlern. Ich machte weiter. Aber mit welchem Ziel? Wohin war ich unterwegs? Wenn ich mein Leben zeichnen sollte, wohin würde ich es nach diesem Treffen mit Mathu lenken?
Bunty unterbrach meine Grübeleien mit einem dringlichen Bericht. Er wollte mir nicht am Telefon davon erzählen und mir auch nichts Schriftliches zukommen lassen. Es war Praxis bei uns, daß die Controllers nicht zu mir ins Gefängnis kamen. Gegen Bunty waren mehrere Verfahren anhängig, und trotzdem saß er nun im Büro des Aufsehers, schloß die Türen und zog einen Stuhl neben meinen. »Bhai«, sagte er. »Es geht um Sharma-ji.«
»Habt ihr endlich herausgefunden, für wen er arbeitet?^
»Zunächst einmal haben wir ihn gefunden, Bhai. Hier etwas Geld, da ein paar Fragen ... Sharma-ji heißt eigentlich Trivedi. Er besitzt mehrere Zapfsäulen in Meerut und hat langjährige Beziehungen zu allen Politikern dort. Er war früher mal ein Jana Sanghi 283 , ist jedoch Anfang der Achtziger aus der Partei ausgetreten. Mit einem Cousin und ein paar anderen zusammen hat er dann eine neue Partei gegründet, Akhand Bharat 079 . Diese Partei gibt es noch, aber sie hat nur bei den Kommunalwahlen ein paar Sitze ergattern können, nie auf höherer Ebene.«
»Und?«
»Er lebt sehr gut, Bhai. Er hat ein Haus, drei Stockwerke hoch, ganz aus weißem Marmor, wie ein Kinopalast - sie nennen es Janki Kutir. Akhand Bharat, die Partei, ist noch aktiv und gibt dafür, daß sie so unbedeutend ist, zuviel Geld aus. Das stammt nicht alles von den Zapfsäulen. Und auch für unsere Lieferungen würde ihr Geld nicht ausreichen. Also habe ich ein bißchen weitergeforscht. Wir haben ihn ein paar Monate lang beschattet. Nichts. Er führt ein sehr geregeltes Leben, morgens in den Tempel, dann zu den Zapfsäulen, nachmittags ins Parteibüro. Neun Kinder, viele Enkel, eine Großfamilie. Er hat ein Büro im Haus, dort verbringt er seine Abende.«
»Und weiter?«
»Wir haben eine Quelle im Fernmeldeamt auf getan, das war nicht sehr teuer. Wir bekommen Listen von allen Gesprächen, die von seinem Telefonanschluß im Büro ausgehen. Die meisten öfter gewählten Nummern haben wir identifiziert, aber es gibt da eine Handynummer, die er jeden Samstagnachmittag anruft. Um den Zeitpunkt unserer letzten Lieferung herum hat er sie jeden Tag angerufen. Wir mußten also einen Informanten in seiner Mobiltelefongesellschaft gewinnen. Das hat länger gedauert und mehr gekostet.«
»Mit dem Ergebnis ...?«
»Mit dem Ergebnis, daß dieses Handy einem gewissen Bathia gehört, Jaipal Bhatia, der in Delhi lebt, in South Extension. Auch dieser Bhatia hat einen hübschen Bungalow. Seine Arbeit besteht einzig und allein darin, der Privatsekretär von Madan Bhandari zu sein.«
»Und wer ist Bhandari?«
»Bhandari ist ein Niemand. Ein normaler Geschäftsmann, mit Interessen in der Kunststoff- und Textilindustrie. Hat einen Jahresumsatz von zwanzig bis dreißig Crores. Er ist nur deshalb interessant, weil es neben seinen Fabriken noch eine große Liebe in seinem Leben gibt, die ihm sogar wichtiger ist als Frau und Kinder: Er ist der Hauptunterstützer und Bhakt 075 von Shridhar Shukla.«
»Dem Swami Shridhar Shukla?«
»Genau. Er ist ihr Boß. Er ist der Kopf des Ganzen. Da bin ich mir sicher.«
Das veränderte die Sache von Grund auf. Shridhar Shukla war ein internationaler Swami, er aß mit Präsidenten und Premierministern zu Mittag, sagte Ministern die Zukunft voraus, und zu seinen Darshans kamen Dutzende von Filmstars. Ich hatte ihn oft im Fernsehen gesehen, lächelnd, in seinem Rollstuhl sitzend. Er sprach ein perfektes Brahmanen-Hindi und ein schnelles Englisch. Ein äußerst beeindruckender Mann. Und mit sehr guten Verbindungen.
»Maderchod«, sagte ich. »Maderchod.«
Bunty nickte. Er erkannte unser Problem, das darin bestand, daß wir nicht die
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