Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
Vom Netzwerk:
Stoppelbart, sein einst gepflegtes Äußeres war völlig dahin. Kein Talkumpuder mehr auf seiner Rattennase, nur seine Dev-Anand-Tolle hatte er noch. Seine Haare waren weiß, schlohweiß. Seine nackten Knie und Knöchel waren schmutzverkrustet, und als er näher kam, mußte ich mich gegen den Gestank von Alter, Schweiß und Traurigkeit stählen.
    »Mathu«, sagte ich und winkte die Jungs fort.
    Er umkrampfte einen Stoß Zettel, wiegte den Kopf hin und her und sagte: »Doch, es ist Ganesh.« Dann verstummte er. Er sah mich prüfend an, nicht feindselig oder ängstlich, er begutachtete mich lediglich. Dann schien er zufriedengestellt, verlor das Interesse an mir und bohrte in der Nase. Er schnipste ein grünes Klümpchen weg, sah sich in der Baracke um und begann seine Blätter zu sortieren.
    »Mathu, du alter Mistkerl«, sagte ich. »Wo warst du die ganze Zeit? Was ist mit dir passiert?« Ich hatte mich damals, vor langer Zeit, über ihn geärgert, doch jetzt verspürte ich Zuneigung, Überraschung und Sorge, ich stand auf und klopfte ihm auf den Rücken, jedoch nur kurz, weil mir seine Schulterblätter in die Hände schnitten. Er war völlig verhungert und zitterte. »Mathu, möchtest du etwas essen?«
    Damit gewann ich seine Aufmerksamkeit. »Ja, Ganesh.«
    Also besorgten wir ihm etwas zu essen. Er kauerte über seinem Bhakri mit Knoblauch-Chutney und aß. Seine Zettel hatte er sorgsam unter den rechten Oberschenkel geschoben. Ich rief den Aufseher herein und befragte ihn zu Mathu. »Er war schon eine ganze Weile hier, bevor ich gekommen bin«, sagte er. »Das heißt, seit mindestens fünf Jahren. Er ist aus der Arthur Road hierher verlegt worden, wo er auch über ein Jahr gesessen hat.«
    »Und weswegen?«
    »Soviel ich weiß, Bhai, ist er wegen Mordes an seinem Bruder angeklagt.«
    »Und warum wurde er noch nicht vor Gericht gestellt?«
    »Seine Verwandten behaupten, er sei psychisch nicht in der Lage, die Verhandlung durchzustehen, Bhai. Sie haben irgendeinen Arzt an der Hand, der ihnen das brav immer wieder bescheinigt. Und so lassen sie ihn von einem Gefängnis ins andere verlegen.«
    Sie würden dadurch erreichen, daß Mathu länger im Gefängnis blieb als im Falle einer Verurteilung wegen Mordes. Diese Dreckskerle. »Wer sind diese Leute, die ihn unbedingt hier drin schmoren lassen wollen?«
    »Er hat noch einen Bruder und eine Schwester. Es geht um Besitz.«
    Wie sich herausstellte, war Mathu mit seinem Gold nach Hause zurückgegangen, nach Vasai. Er hatte seinen Geschwistern erzählt, er sei in Dubai gewesen, habe unerwartete Einnahmen gehabt und werde sich nun um alle kümmern. Sie hatten ihn natürlich zum großen Mann des Haushalts erklärt, obwohl er der Jüngste war. Dieser Gaandu gab sein ganzes Geld für sie aus: Er kaufte ihnen allen Häuser auf demselben Grundstück, und sie gründeten zusammen ein kleines Unternehmen. Die anderen sorgten dafür, daß er heiratete. Irgendwann gerieten sich die Geschwister, der Schwager und die Schwägerinnen erwartungsgemäß in die Haare. Sie stritten um Land, um Bargeld, um den jeweiligen Anteil am Gewinn des Unternehmens und um die Frage, wer für die Verluste verantwortlich war. Schließlich wurde beschlossen, sowohl das Unternehmen als auch den Grundbesitz aufzuteilen. Mathu wollte das nicht, er sah sein ganzes Gold dahinschwinden, aber er hatte die Besitzurkunden auf die Namen seiner Geschwister ausstellen lassen, und das Unternehmen hatte viele Partner. Man verbündete sich untereinander, verschwor sich gegeneinander, und Mathu ging von einem zum anderen und bat alle, gut zueinander zu sein, ihre Wut fahrenzulassen, an ihre Eltern zu denken. Doch die Auseinandersetzungen wurden nur heftiger, und schließlich wurde der älteste Bruder ermordet. Mit zweiunddreißig Messerstichen. Man fand ihn eines Morgens in seinem Büro, ein Lampenkabel um den Hals, das so fest zusammengezogen war, daß es ins Fleisch einschnitt. Es war nichts gestohlen, nichts angerührt worden. Die einzige Tür zu dem Raum war verschlossen. Die ermittelnden Polizisten kamen zu dem Schluß, daß der Mörder jemand gewesen sein mußte, den das Opfer kannte. Hinter Mathus Haus wurde ein blutverschmiertes Messer gefunden. Es gab keine Zeugen, die ihn an dem betreffenden Abend irgendwo gesehen hatten. Seine Frau war zu Besuch bei ihren Eltern gewesen. Seine Verwandten sagten alle, er habe sich in der letzten Zeit wie ein Irrer aufgeführt, sei über den verstorbenen Bruder hergezogen und habe

Weitere Kostenlose Bücher