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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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glauben, halten wir unser Scheitern für unsere eigene Schuld, denken, es entspringe unserem Ich. Wir denken, unsere Siege gehörten uns. Doch wenn wir erfolgreich sind, stellen wir fest, daß diese Ich-Illusion nur in der Zukunft oder der Vergangenheit bestehen kann. Das Ich ist auf ewig von der Gegenwart getrennt, und solange wir daran glauben, empfinden wir nur Verlust. Erst wenn wir diese Illusion transzendieren und über sie lachen, können wir das Vergnügen des Augenblicks erleben - lacht, dann seid ihr wirklich lebendig. »Meine Kinder«, sagte Swami-ji, »gebt euer Tun aus der Hand, und entdeckt euer wahres Wesen. Erkennt euch selbst.«
    Ich mußte mich vom Fernseher abwenden. Es war, als spräche er zu mir, zu mir allein. Aber ich mußte mich zusammenreißen, mußte beim Zuhören ganz locker sein, über Gurus und Swamis Witze reißen, und durfte mich nicht zu lange mit ihm aufhalten. Wir hatten eine geheime Verbindung, er und ich, und deshalb durfte ich keine öffentliche Verbindung zu ihm haben. Es war zu riskant, zu gefährlich. Nicht nur für mich, sondern auch für ihn. Also stand ich auf und ging weg. Die Jungs schalteten zu einer Filmi-Song-Hitparade um.
    Ich ließ sie ihre Songs anhören, doch ich folgte Swami-jis Rat. Ich intensivierte meine Meditation, übte sie länger und konzentrierter. Die Jungs waren von meiner tieferen Ruhe, meinem besseren Gedächtnis, meiner ungewohnten Liebenswürdigkeit beeindruckt. Ich fragte sie nach ihren Familien, erinnerte mich an die Namen ihrer Frauen und Freundinnen, erkundigte mich nach ihren Kindern. Wir hatten dafür gesorgt, daß Date aus dem Gefängnis in Nashik zurückverlegt wurde, damit er bei mir in der Baracke sein konnte. Er umarmte mich, als er mich wiedersah, drückte mich lange an sich. Und das erste, was er sagte, war: »Sie sehen jünger aus als vorher, Bhai. So frisch und gesund.«
    Ich fühlte mich verwittert, wie ein altes Feld, das noch einmal gepflügt worden ist. Was er sah, waren die jungen Schößlinge, die erst vor kurzem eingepflanzt worden waren. Draußen hatte der Monsunregen eingesetzt, und wir saßen an den Fenstern und schauten zu, wie das Wasser von den Dächern stürzte. Die Geschäfte liefen gut. Geld ging ein, Geld wurde ausgegeben, mehr Geld ging ein. Unser Krieg mit Suleiman Isa holperte vor sich hin. Ich wußte, daß die Jungs einen entscheidenden Schlag erwarteten, eine fürchterliche Vergeltungsmaßnahme gegen den Feind. Ich sagte ihnen, sie sollten geduldig sein. Man soll das Korn ernten, wenn es reif ist. Warten, warten. Also wartete ich. Und war ganz ruhig.
    Ende Juli wurde ich zu Advani einbestellt. »Der Saab will Sie in seinem Büro sehen«, sagte der mit der Botschaft Betraute. »Es ist sehr dringend.«
    Es war früher Morgen, meine Gebetszeit, und mich packte die Angst. Advani würde mich nie von selbst um diese Zeit stören, es mußte etwas sehr Schlimmes passiert sein, damit er mich zu sich rief. Ich zog meine Chappals an, und wir hüpften im Hof, der jetzt ein See aus Regenwasser war, von Stein zu Stein. Die schwarzen Wolken über uns hingen tief, und es war fast still, die ganze Welt war nur vom Fallen des Wassers erfüllt. Vor Advanis Büro standen drei Männer in weißen Hemden in einer Reihe. Ich ging an ihnen vorbei ins Büro, wo Advani in aufrechter Haltung und mit offizieller Miene an seinem Schreibtisch saß. Er stand nicht auf.
    »Saab«, sagte ich demutsvoll. Ich war ein guter Schauspieler, wenn meine Untergebenen es brauchten.
    Ein Mann rechts von Advani beobachtete mich aufmerksam. Als erstes sah ich seinen rundlichen Kopf, kahl und braun im Dämmerlicht des Monsunregens. Und dann seine Augen, die mich fixierten.
    »Das ist Mr. Kumar«, sagte Advani. »Er möchte mit Ihnen reden.«
    Advani stand auf und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort oder einen Blick in meine Richtung. Dieser Mr. Kumar war also ein mächtiger Mann. Vielleicht ein hoher Beamter. »Setzen Sie sich«, sagte er.
    Ich tat wie geheißen.
    »Ich arbeite für eine bestimmte Abteilung der Regierung, der Zentralregierung«, sagte er. »Ich verfolge schon seit geraumer Zeit Ihren Kampf gegen Suleiman Isa.«
    Ich blieb stumm, nickte nicht einmal. Er sollte sich ruhig erst erklären. Er war sehr dünn, hatte eine scharfe Nase und ähnelte einer Statue des hungernden Buddha, die ich einmal im Fernsehen gesehen hatte. Aber er strahlte Kraft aus, Gewißheit. Er war ein Mann, der wußte, wer er war.
    »Mir sind Ihre derzeitigen

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