Der Pate von Bombay
für ziemlich aussichtslos und war mürrisch. Es war fast sechs, und auf den Bürgersteigen tummelten und drängten sich die Menschen. Die Auto-hupen vereinigten sich zu einer Fanfare, die Sartajs Stimmung hob. Im Apsara lief derzeit Pyaar ka Diya, der Film mußte ein Hit sein - die Besucher verließen das Kino mit der typischen auf große Dramatik folgenden Gelöstheit, die anderen gingen voller Vorfreude hinein. Hier im Apsara brannte die Flamme der Liebe noch, zumindest an diesem Abend. Sartaj schob sich seitlich durch einen Pulk todschicker College-Studenten, die alle eifrig auf ihren Handys tippten. »Erstklassiger Film, Yaar«, sagte einer von ihnen in sein Telefon.
Bettelnde Jungen und Mädchen wuselten durch die Menge, hielten die Hand auf und spulten ihre Sprüche ab: »Hallo Tantchen, gib mir etwas, nur eine Rupie, Tantchen. Eine Rupie, Tantchen, ich habe solchen Hunger, bitte, Tantchen.« Die Chokras hatten die verschiedensten lumpigen Hemden und Banians an, aber kein rotes T-Shirt weit und breit. Sartaj ging die ganze Straße hinunter, bis zur Ecke, wo die Menge sich ein wenig verlor, dann drehte er um. Er kannte inzwischen die Gesichter der Schwarzhändler, die mit ihrer eigenen Leier hausieren gingen: »Empore zweifünfzig, Parkett einsfünfzig.«
Kamble schlängelte sich zwischen den Autos hindurch auf Sartajs Straßenseite hinüber. Er war heute ganz in Schwarz, inklusive neuer schwarzer Schuhe mit einer Art Silberrand an den aufwendig konstruierten Sohlen. Er hob das Kinn und sah Sartaj an, der mit den Achseln zuckte.
»Nichts?« fragte Kamble. »Ich habe drei rote T-Shirts gesehen, aber keins an einem Chokra. Eins saß an einem hübschen kleinen Ding, Haare bis zum Gaand und solche ...« Er hielt sich die gewölbten Hände vor die Brust. »Nett. Haben Sie die Schwarzhändler gesehen?«
»Ja.«
»Auf der anderen Seite ist auch ein Trupp Taschendiebe zugange - sehen Sie den Chutiya mit der blauen Hose? Der verwickelt die Leute in ein Gespräch. Dann der da links, der alte Mann mit der Zeitung - nein, da drüben. Das ist der eigentliche Dieb.« Ein glattrasierter, großväterlicher Typ, der in seinem frisch gebügelten weißen Hemd sehr respektabel wirkte, ging unauffällig durch die Menge. »Und da drüben, das ist der, an den übergeben wird.« Dieser Mann war jünger, schlank und fesch, mit Sonnenbrille und einem weiten grauen Shirt. »Ah, sie legen los.«
Blauhose trat zu einer Familie - Mutter, Vater, Typ leitender Angestellter, zwei Kinder - und sprach den Vater an. Fragte ihn nach dem Weg, so wie es aussah. Der Vater deutete die Straße hinunter, gestikulierte, erst gehen Sie nach links, dann nach rechts. Blauhose klopfte ihm kurz auf die Schulter, danke. In diesem Augenblick trat der Großvater in Aktion, er ging an dem Vater vorbei, stellte sich hinter ihn.
»Er hat's«, sagte Kamble. »Haben Sie es gesehen? Er hat das Portemonnaie.« Seine Stimme war voller Bewunderung.
Sartaj hatte nur gesehen, daß sich die Hand des Großvaters zwischen den beiden Körpern bewegte. »Der Alte ist sehr gut«, sagte er. »Papa hat es noch nicht gemerkt.«
»Das wird er auch erst, wenn er versucht, ein Eis zu kaufen. Hoffentlich hat er die Kinokarten nicht in seinem Portemonnaie. Ah, jetzt kommt die Übergabe.« Sonnenbrille schlenderte bereits mit dem Portemonnaie unter dem Hemd davon. »Sollen wir?« fragte Kamble. »Schnappen wir uns die Mistkerle.«
»Nein, lassen Sie. Wir haben andere Sorgen.« So eine Festnahme ab und zu war immer gut, aber Sartaj wollte vor den Chokras kein Aufhebens veranstalten. Jeder von ihnen konnte der Junge mit dem roten T-Shirt sein, und ehe sie den nicht gefunden hatten, wollte sich Sartaj nicht als Polizist zu erkennen geben.
»So werden wir den Jungen mit dem roten T-Shirt nicht kriegen«, sagte Kamble. »Wir sollten uns ein paar seiner kleinen Freunde schnappen. Hier rennen doch ein Haufen solcher kleinen Scheißer rum. Wir fragen einfach sie. Zwei Minuten, zwei Ohrfeigen, und sie reden.«
»Oder auch nicht. Jedenfalls werden wir ihn so in Null Komma nichts in die Flucht schlagen. Geduld, mein Freund. Das ist ein armer Junge, der auf der Straße lebt. Wenn er sein rotes T-Shirt heute nicht trägt, wird er es morgen tragen.«
»Vielleicht. Oder vielleicht hat er sich auch von dem Geld, das ihm die Apradhis gegeben haben, ein neues blaues T-Shirt gekauft. Wir lange bleiben wir noch?«
»Bis die Hauptverkehrszeit vorbei ist. Noch eine halbe Stunde. Wenn die Leute
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