Der Pate von Bombay
Mein Buchhalter hat jede Quittung und eine Kopie von jedem Scheck unserer Kunden. Wir können Ihnen alles zeigen, was Sie sehen wollen.«
Rachel trug ein locker sitzendes weißes Leinenhemd zu einer grauen Hose aus dem gleichen Material. Ihre Kleidung brachte das warme Braun ihrer schönen Haut und ihre sanften, bernsteinfarbenen Augen besonders zur Geltung. Sie hatte die Hände elegant auf eines ihrer Knie gelegt, doch sie war jetzt sichtlich besorgt. Sartaj legte nach: »Niemand macht nur legale Geschäfte, Madam. Schon gar nicht im Bereich Innenausstattung. Es ist alles eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Wenn wir das Gefühl haben, daß Sie nicht genügend kooperieren, müssen wir natürlich offiziell ermitteln.«
»Was wollen Sie?«
Sartaj reckte sich. »Haben Sie eine Videokamera?«
»Was?«
»Eine Videokamera, Madam. Um Videofilme zu drehen -Sie wissen schon, bei Hochzeiten, Preisverleihungen, Partys.« Er tat, als halte er eine Kamera in der Hand. »Weit verbreitet heutzutage.«
»Ja. Wir haben zwei. Eine alte und eine neue. Aber was...«
Sie war jetzt ziemlich verwirrt und - so glaubte Sartaj -etwas verängstigt. Es war Zeit für die harte Tour. Er beugte sich vor und starrte sie an, bis sie unruhig auf ihrem Diwan herumzurutschen begann. Es gelang ihm mühelos, Feindseligkeit in seinen Blick zu legen, die er aus einem endlosen Vorrat an Verachtung für Übeltäter und Gesetzesbrecher schöpfte und die ihm, wie er wußte, auch die Schultern verhärtete und die Wangen rötete. »Warum zwei Videokameras, Madam? Wozu brauchen Sie gleich zwei?«
»Die neue habe ich mit der Kreditkarte gekauft, Sie können gerne ...«
»Danach habe ich nicht gefragt. Wofür verwenden Sie die Kameras?«
»Sie haben es doch selbst gesagt: für Feiern, Urlaube, solche Sachen.«
»Haben Sie jemand anderem eine Ihrer Kameras gegeben? Ausgeliehen?«
»Nein. Warum fragen Sie?«
»Ich ermittle in einem Erpressungsfall, bei dem eine Videokamera benutzt wurde.« Er beobachtete sie aufmerksam. Rachel hatte Angst. Sie saß jetzt auf der Sofakante, verschwendete keinen Gedanken mehr auf ihre Haltung. »Es weist einiges darauf hin, daß Sie in diesen Fall verwickelt sein könnten.«
»Ich? Wieso denn das? Was reden Sie da?«
Sartaj schüttelte den Kopf. »Das Reden übernehmen jetzt wohl besser Sie, Madam.«
Rachel hätte das sichtlich gern getan, doch statt dessen umklammerte sie die eine Hand mit der anderen, schluckte und stieß schließlich hervor: »Ich habe nichts zu sagen.«
Sartaj hätte gewettet, daß sie diesen Satz aus irgendeiner Fernsehserie hatte. Er stand auf. Natürlich würde er allein dadurch, daß er bei einer Verdächtigen zu Hause erschien, nicht gleich ein umfassendes Geständnis bekommen. So etwas kam vor, aber sicher nicht in diesem Fall. Da war etwas mehr Druck nötig, vielleicht unter Zuhilfenahme durchschlagender Beweise aus einem anderen Bereich. In der Zwischenzeit würde sich Rachel Mathias in ihre Angst hineinsteigern, bis sie nur noch ein Nervenbündel und leicht zu knacken war. »Wie Sie wollen«, sagte Sartaj. »Hier ist meine Karte. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie es sich anders überlegen.«
Auf dem Weg zur Tür sah Sartaj auf einem Tisch mit Marmorplatte das Foto zweier lachender Jungen vor grünen Bergen. »Ihre Söhne«, sagte er. »Sehen nett aus, die Jungs.« Doch das schien Rachel nur noch mehr Angst einzujagen. Sie zuckte zusammen. Sartaj hatte jetzt seinen Spaß. »Auch der Rahmen ist nicht schlecht«, sagte er. »Silber und ziemlich schwer. Eine Antiquität, wenn ich mich nicht irre. Und selbst wenn ich mich irre, war er auf jeden Fall teuer.« Er fuhr mit dem Finger über die breitblättrige Ranke, die den Rahmen zierte, und verließ Rachel dann mit den Worten: »Wir werden Ihr Haus überwachen.«
Im Aufzug erfüllte ihn ein Gefühl des Triumphs. Eine interessante Verdächtige, diese Frau, die sich, von ihrem Mann verlassen, selbst neu geschaffen, ein neues Leben aufgebaut hatte. Wer waren die Mitverschwörer, die Kamala anriefen? Wie hatte Rachel sie gefunden, angeheuert? Es würde interessant sein, das herauszufinden.
Sartaj und Kamble schritten zur Hauptverkehrszeit die Straße vor dem Apsara Theatre ab. Sie suchten nach Kamala Pandeys Straßenkind, einem Jungen unbestimmten Alters und Aussehens mit einem roten DKNY-Shirt, in dem er vor anderthalb Monaten Erpressungsgeld von ihr entgegengenommen hatte, und einem schwarzen Zahn im Mund. Kamble hielt das ganze Unterfangen
Weitere Kostenlose Bücher