Der Pate von Bombay
verschwinden, verschwinden wir auch.«
»Gut.«
»Augenblick mal.« Sartaj zog sein Handy hervor, das mittlerweile etwas mitgenommen aussah. Er drückte auf die winzigen schwarzen Tasten. »Hallo, Saab?«
»Sartaj. Wie geht es dir?«
»Gut, danke«, sagte Sartaj. »Ich führe gerade eine Ermittlung durch, Sir, und brauche Ihre Hilfe.«
»Nur zu.«
»Ich bin in Goregaon, Sir. Vor einem Kino. Hier arbeitet ein Team von Taschendieben, ein Alter und zwei junge Kerle. Der Alte ist der Langfinger, er ist vielleicht fünfundsechzig, siebzig. Er ist sehr gut.«
Parulkar schwieg einen Moment. Eine seiner vielen kriminalistischen Begabungen bestand darin, daß er ein Gedächtnis wie einer von Yamas 672 Helfern hatte, er vergaß keine Straftat, auch nicht die belangloseste. Er erinnerte sich an Apradhis von vor vierzig Jahren, hatte ihre Familiengeschichte parat. Ein Junge, der ein Fahrrad für eine kleine Spritztour klaute, mußte damit rechnen, daß sein Vergehen unauslöschlich im Register von Parulkars Erinnerung verzeichnet und gegen ihn verwendet wurde, wenn er zum Großvater geworden war. »Dieser Taschendieb«, fragte Parulkar nach, »hat der eine Glatze? So ein Untersetzter?«
»Nein, Sir. Weiße Haare, ein ordentlicher Haarschnitt. Sieht wie ein braver Bürger aus.«
»Ah, ja. Etwa einssiebzig groß? Geht etwas gebeugt, als würde er gleich zusammenbrechen?«
»Ja, Sir. Er sieht richtig harmlos aus.«
»Das ist Jayanth. K. R. Jayanth. Er hat phantastische Hände. Wir haben ihn nur zweimal festgenommen, '79 und '82. Damals hat er in Dhavari gewohnt und in den Zügen der Western Line gearbeitet. Sehr seriös wirkende Brille, Aktentasche unterm Arm, diese Nummer. Er hat seinen Sohn in die USA geschleust, über Mexiko, glaube ich. Der Sohn hat als Taxifahrer gearbeitet und eine Green Card bekommen. Jayanth zufolge hat er als Taxifahrer achtzigtausend Dollar im Jahr verdient. Er hat mir erzählt, er hätte sich zur Ruhe gesetzt. Das war '88, '89. Seither habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
»Er arbeitet wieder, Sir.«
Parulkar gluckste. »Es ist schwer, tatenlos zu Hause herumzusitzen, weißt du. Und dieser Jayanth ist ein Könner. Von der Sorte gibt es nicht mehr viele. Heute wollen sie alle nur draufhauen und zugreifen. Kein Mensch arbeitet mehr mit dieser Hingabe.«
»Das stimmt, Sir.«
Sartaj dankte Parulkar und steckte das Handy ein. Kamble hatte sich von dem, was er mitgehört hatte, schon einiges zusammengereimt, und Sartaj erzählte ihm nun den Rest. »Maderchod«, sagte Kamble, »dieser Parulkar ist wirklich gut.«
»Ja, er ist der Beste.«
»Und wieder auf dem Weg nach oben. Er ist ein richtiges Stehaufmännchen, man schlägt ihn k.o., und im nächsten Moment ist er wieder auf den Beinen.«
»Er ist äußerst kompetent, Kamble. Sehr erfahren und sehr gerissen.«
»Natürlich ist er gerissen, mein Freund. Er ist schließlich Brahmane. Er ist Brahmane und hat die Gerissenheit, die Mittel und die Verwandten an den richtigen Stellen.«
Sartaj lachte. »Während Sie natürlich nur ein schlichter Bauerntölpel sind?« Kamble war Dalit, was er nie erwähnte, aber manchmal hatte er das eine oder andere über OBCs, Marathen und Brahmanen zu sagen.
»Ich lerne, Yaar, und zwar von Leuten wie Parulkar.« Kamble grinste. »Angeblich hat er sich ja von Suleiman Isas Company distanziert und den Rakshaks angenähert. Ist zur anderen Seite übergelaufen, nachdem er all die Jahre der S-Company nahegestanden hat. Und deswegen sind ihm die Rakshaks plötzlich so wohlgesonnen. Stimmt das?«
Sartaj hatte dieses Gerücht auch schon gehört. Er zuckte die Achseln. »Da müssen Sie ihn schon selbst fragen.«
»Das brauch ich gar nicht, Yaar. Ich habe schon einiges von ihm gelernt. Ich habe gelernt, daß man Geld annimmt, Verbindungen knüpft, aufsteigt, mehr Geld macht, weitere Verbindungen knüpft, was zu sagen hat, noch mehr Geld verdient und dann -«
»Ich hab's kapiert«, sagte Sartaj. »Ich hab's kapiert, Guru.«
»Nein, nein, ich bin niemandes Guru, noch nicht. Aber Parulkar-saab ist mein Guru, auch wenn er das gar nicht weiß. Ich bin wie Ekalavya 188 , nur werde ich meinen Daumen und meinen Lauda und alles andere behalten«, sagte Kamble mit seinem breitesten Grinsen.
Sartaj mußte lächeln. Kamble hatte so eine Art, zugleich todernst und heiter zu sein. Er war ein selbsterklärter Rotzlöffel, aber ein charmanter. »Machen wir uns mal wieder an die Arbeit.«
Doch Kamble hakte die Daumen in die
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