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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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richten?«
    »Muslime, Kommunisten. Christen, Sikhs. Gegen jeden, dem diese perfekte Nation nicht behagt. Auch gegen militante Dalits. Die Gewehre waren auf dem Weg nach Bihar, zu einer von Landbesitzern geführten rechtsgerichteten Privatarmee.«
    »Glauben Sie, Gaitonde hat dieser Organisation angehört? Er hat sich doch immer als weltlichen Don bezeichnet.«
    »Ja. Vielleicht hat er mit diesen Kalki-Sena-vaalas nur Geschäfte gemacht und war in ihre politischen Aktivitäten nicht involviert. Die Apradhis in Delhi konnten uns auch nicht mehr sagen, das war nur eine Zelle mit einer bestimmten Aufgabe. Wer immer diese ganze Sache leitet, macht es gut, er hat viele Sicherungen eingebaut. Vielleicht war Gaitonde auf der ideologischen Ebene beteiligt, vielleicht auch nicht. Das wüßte ich gern. Und ich wüßte außerdem gern: Wozu der Atombunker?«
    »Ich werde mit dieser Schauspielerin reden.« Sartaj wollte es jetzt auch wissen, er wollte ebenfalls eine Antwort auf all diese Fragen, eine Erklärung für diesen Kubus. Wenn jemand vorhatte, einen Krieg gegen ihn, seine Familie, sein Volk zu führen, dann wollte er wissen, wer diese Dreckskerle waren und welche Verbindung sie zu Ganesh Gaitonde hatten.
    »Gut.«
    Sartaj sagte rasch: »Also dann, Wiederhören« und trat hinaus in die Sonne. Die morgendliche Wärme tat gut. Von der Nacht tat ihm der Rücken weh, seine Schultern waren verspannt, doch selbst diese Beschwerden waren ihm willkommen. Es war gut, am Leben zu sein. Er empfand Wohlwollen gegenüber den Ladenbesitzern mit ihren kleinen Taschenrechnern, den Tafeln, auf denen ihr Waren- und Dienstleistungsangebot aufgelistet stand, und den Schreinen für den dickbäuchigen Ganesha, gegenüber den stämmigen Marathen-Frauen, die in leuchtendem Grün und Blau mit energischem Schritt zur Arbeit eilten, gegenüber den drei Bengeln, die mit einem Stock und einem roten Gummiball Kricket spielten. Sartaj kniff die Augen zusammen und versuchte sich vorzustellen, was nach einer Atomexplosion von diesem Bazaar übrigbleiben würde. Es gelang ihm nicht. Er erinnerte sich an die Bilder aus dem Bomben-Thriller, an die braune Wolke, die in einem Film innerhalb des Films zu sehen gewesen war, an den tödlichen Wind. Aber es war schwer, solche Bilder hier auf dieser Straße in die Realität zu übertragen. Unmöglich, es sich vorzustellen, unmöglich, es zu glauben. Und doch war es hier. Hier in Kailashpada.

    In den Läden auf dem Markt in der Ragir Road drängten sich Unmengen junger Frauen, die für die neun Nächte von Navaratri Kleider kauften. Sartaj bremste ab und lenkte sein Motorrad nach links, um am Straßenrand entlangzufahren und die freudige Begeisterung der Mädchen zu genießen, die auf ihrem Weg von Boutique zu Boutique an ihm vorübereilten. Devi würde diese geballte jugendliche Energie, diese weibliche Fröhlichkeit bestimmt gefallen. Sartaj jedenfalls fand sie belebend, sie erlöste ihn von der Bombe. Jemand lachte, und das Gelächter erhob sich wie ein Lied über das Ächzen und Stöhnen des Verkehrs. Sartaj wandte sich nach der Quelle des Lachens um und sah zwei riesige dunkle Augen, die sich in einem Autofenster spiegelten, nur ein flüchtiger Eindruck, mehr nicht, und dann war das Motorrad plötzlich nur noch wenige Zentimeter vom hinteren Ende einer Autorikscha entfernt, er mußte einen abrupten Schlenker zum Bürgersteig machen. Der Motor ging aus, und Sartaj hielt unversehrt an. Auf der Straße sah er nur noch die lange rote Seite eines Busses, und links von ihm hob eine blau erleuchtete Reklametafel das perspektivisch verkürzte Gesicht eines Models fast zwanzig Meter in den Himmel. Einen Moment lang blieb er mit leichtem Herzklopfen am Straßenrand stehen - das war knapp gewesen - und mußte über seine eigene Dummheit grinsen. Sardar-ji, mahnte er sich, reiß dich zusammen, Yaar. Was ist denn mit dir los?
    Er fuhr weiter, fest entschlossen, jetzt nur noch professionell zu denken, ruhig und logisch. Er war auf dem Weg zu Rachel Mathias, jener ehemaligen Freundin und potentiellen Feindin von Kamala, die zuviel wußte. Er hatte sich noch nicht entschieden, wie er bei dem Treffen auftreten würde. Es gab keinen offiziellen Fall, und er hatte keine Beweise, auf deren Grundlage er die verbitterte Rachel hätte beschuldigen können. Ziel seines Besuches war es also einfach, Informationen zu sammeln, ein wenig das trübe Wasser aufzurühren und zu schauen, was hochkam. Er konnte den aggressiven,

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