Der Pate von Bombay
Anforderungen ihrer Arbeit bestand darin, endlose Stunden mit kleinen, langweiligen, manchmal auch sinnlosen Tätigkeiten zu verbringen. Katekar hätte nie so früh aufgegeben. Aber Katekar war tot.
»Glauben Sie, es waren die Kattus?« fragte Kamble.
»Was?«
»Die Bombe. Wenn es eine Bombe in der Stadt gibt, muß sie von den Muslimen kommen.«
»Ja. Stimmt. Sie muß von den Muslimen kommen.«
»Also - gehen wir zu dieser Kutiya, dieser Zoya, und reden mit ihr. Vielleicht weiß sie etwas. Wenn wir direkt vor ihrer Haustür stehen, kann sie uns ja wohl kaum wieder wegschicken. Immerhin sind wir Polizisten.«
Immerhin. Das stimmte. »Ganz ruhig. Nur nichts überstürzen. Wir haben Zeit. Sie haben ja selbst gesagt, das ist alles schon Monate her. Selbst wenn es tatsächlich eine Bombe gibt, ist sie noch nicht hochgegangen. Und sie wird auch nicht heute abend hochgehen. Oder morgen früh.«
Kamble spuckte in die Gosse. Er dehnte die Schultern nach hinten. »Natürlich nicht. Das habe ich auch nicht gemeint. Aber wir könnten doch einfach mal mit dieser Randi reden. Genau das ist sie doch, auch wenn sie sich noch so sehr wie ein großer Filmstar aufführt: eine Randi. Na ja, piepsen Sie mich an, und sagen Sie mir Bescheid, wenn ein bißchen Action angesagt ist.«
»Mache ich. Wir können sie nicht auf die Wache einbestellen, uns sind Grenzen gesetzt. Also müssen wir uns überlegen, wie wir statt dessen an sie herantreten können. Wir dürfen sie nicht verängstigen.«
»Gut, gut. Sind wir hier fertig? Ich brauche eine Frau. Zuviel Bombenanspannung, Bhai-sahib.«
»Augenblick noch. Ich habe eine Idee.« Sartaj sah zu, wie auf der anderen Straßenseite K. R. Jayanth, der distinguierte Taschendieb, zur Bushaltestelle schlenderte und dabei ein Eis aß. Offenbar hatten alle Menschen das Bedürfnis, sich nach der Arbeit etwas zu gönnen. »Kommen Sie.«
Sartaj ging voraus, stieg über die Leitplanke und näherte sich Jayanth von rechts. Er paßte sich Jayanths Schritt an und ging dicht neben ihm, wie ein Freund, der mit ihm ein bißchen Abendluft schnuppert. Jayanth blieb ruhig, er war eben ein alter Hase. Er wich nur etwas nach links aus und leckte weiter an seinem Eis. Doch Kamble verstellte ihm den Weg.
»Namaste, Onkel«, sagte Sartaj.
Jayanth nickte. »Sie sind von der Polizei«, sagte er.
Sartaj mußte lachen, er freute sich darüber, es mit einem echten Profi zu tun zu haben. »Ja«, sagte er. »Haben Sie heute gut verdient?«
Jayanth biß von der Eiswaffel ab. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
Sartaj legte ihm die Hand auf die Schulter. »Are, Onkel. Wir haben Ihnen den ganzen Abend bei der Arbeit zugesehen, Ihnen und den beiden Jungs. Sie sind sehr gut.«
»Welchen Jungs?«
»Einer in blauer Hose, einer mit Sonnenbrille. Kommen Sie, Jayanth, ärgern Sie mich nicht. Sie sind aus dem Ruhestand zurückgekehrt und arbeiten hart, daran ist nichts auszusetzen.«
»Ich heiße nicht Jayanth.«
Sartaj schlug Jayanth ins Gesicht. Es war nur ein kurzer Schlag mit der Rückseite der Hand, die auf Jayanths Schulter gelegen hatte, aber er traf mit den Knöcheln, und Jayanth taumelte nach hinten. Kamble starrte angewidert auf seinen rechten Fuß, den jetzt ein länglicher Eisfleck zierte.
»Wir sollten den Mistkerl mit auf die Wache nehmen«, sagte er. »Da wird er sich schon daran erinnern, wer er ist.«
Nur eine Frau hatte den Zwischenfall mitbekommen. Sie eilte davon und schaute immer wieder mit entsetztem Blick zu Sartaj zurück. Sie hatte ein Einkaufsnetz mit Gemüse in der Hand und leuchtend rotes Sindur im Haar. Sartaj ignorierte den Impuls, sich ihr zu erklären: Das ist einfach die Sprache, die wir sprechen, dem netten alten Mann wird nichts Schlimmes passieren. Er wandte sich wieder Jayanth zu. »Also, Onkel. Wollen Sie mit uns auf die Wache?«
»Na gut.« Jayanth warf die leere Waffel weg. »Ich bin Jayanth. Aber ich kenne Sie nicht.«
»Sartaj Singh.«
»Sie arbeiten normalerweise nicht hier. Wieviel wollen Sie?«
»Sie haben eine Absprache mit der hiesigen Polizei?«
Jayanth zuckte die Achseln. Natürlich hatte er mit den Jungs hier eine Regelung, aber er würde nichts herauslassen. »Um so etwas geht es uns gar nicht«, sagte Sartaj. »Und wir wollen Sie auch nicht festnehmen. Im Gegenteil. Sie sollen etwas für uns tun.«
»Ich bin ein alter Mann.«
»Ja, Onkel. Aber Sie müssen auch einfach nur die Augen offenhalten.« Sartaj erklärte ihm, er solle nach einem Chokra Ausschau halten,
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