Der Pate von Bombay
furchterregenden Polizisten mimen oder aber einen diskreten neuen Freund, der versuchte, Rachels Interessen zu dienen und nicht denen der verrückten Kamala. Bei der Ermittlungsarbeit mußte man oft verschiedene Rollen spielen, manchmal sogar gleichzeitig. Wenn man sich den Erwartungen der Verdächtigen anpaßte, sich als die Lösung ihrer Probleme präsentierte, dann redeten sie. Sartaj hatte das schon zigmal getan, er mußte sich nicht mehr groß vorbereiten, nicht mehr alles vorher durchspielen. Eine kurze Rekapitulation der entscheidenden Fakten auf der Fahrt zu ihr genügte: zwei Freundinnen, die eine verheiratet, die andere sehr einsam; ein Mann; ein Streit. Ganz einfach. Allerdings kannte sich Sartaj mit den Streits von Frauen gut genug aus, um zu wissen, daß sie nie so einfach waren, wie sie in einer kurzen Zusammenfassung erscheinen mochten. Vielleicht war der schöne Umesh nur der Auslöser dieses Kriegs gewesen, vielleicht hatte es schon seit Jahren unterschwellige Spannungen gegeben. Vielleicht ging es bei diesen Feindseligkeiten eigentlich um etwas ganz anderes. Geh unvoreingenommen an die Sache heran, ermahnte er sich. Bleib wachsam. Hör auf, an Navaratri, Durga, Lakshmi und Saraswati zu denken.
Doch die Göttinnen waren in Rachel Mathias' Empfangszimmer bestens vertreten, einem Zimmer voll teurer, zum Teil sehr alter Kunstobjekte. Er sah Skulpturen, Gemälde und - an der am weitesten vom Fenster entfernten Wand - eine riesige hölzerne Flügeltür, die wohl aus irgendeiner prächtigen Villa stammte. Sie lehnte dicht an der Wand, war mit ihren lebendigen Blau-, Rot- und Gelbtönen und den waagerechten, mit Nieten besetzten Beschlägen aus dunklem Eisen auch in dieser zweckentfremdeten Form atemberaubend schön. Sartaj wußte, daß jedes einzelne der Gemälde mehr wert war als sein gesamtes Jahreseinkommen. Megha hätte die Künstler alle gekannt, er selbst erkannte bloß den Druck eines Gemäldes von Raja Ravi Varma wieder, eine juwelengeschmückte Lakshmi, anmutig und üppig. Vor langer Zeit, bei einem ihrer ersten Rendezvous, hatte Megha ihn zu einer Ausstellung mitgenommen und ihm von Raja und seinen Werken erzählt, und seither liebte Sartaj diese Darstellung von Lakshmi.
Es war offensichtlich, daß Lakshmi dieses Haus, diese Maisonettewohnung in Juhu gesegnet hatte. Und das brachte Sartaj auf eine Idee, wie er vorgehen könnte. Als Rachel Mathias auftauchte, stellte er sich vor und sagte mit ruhiger Stimme: »Wir überprüfen zur Zeit Leute, deren Vermögen in einem Mißverhältnis zu ihrem Einkommen steht.«
»Sie meinen, Schwarzgeld? Steuerhinterziehung?«
Rachel war korpulent, erweckte aber nicht den Eindruck, faul oder undiszipliniert zu sein. Ihre Körperfülle war ehrlich erworben, teils Veranlagung, teils eine Folge des Alters. Mit ihrer praktischen Kurzhaarfrisur und ihren gepflegten Händen war sie durchaus attraktiv. Sie schaute Sartaj fest an, ihr Blick verriet nichts. Ja, dies war eine Frau, die sowohl Selbstbeherrschung besaß, als auch zu tiefen Gefühlen fähig war, eine Frau, die eine Beleidigung bis ins Mark treffen und die den Mut haben würde, sich dafür zu rächen. »Ja, Madam«, sagte Sartaj. »Es sind nur erste Schritte, verstehen Sie. Wir geben jedem die Chance, seine Unschuld zu beweisen.«
»Wollen Sie damit sagen, daß ich ein zu großes Vermögen besitze? Daß ich zuviel Geld ausgebe?«
Sartaj machte eine ausladende Armbewegung. »Diese Wohnung, Madam. All diese Gemälde und Kunstgegenstände. Ihr ganzer Lebensstil.«
»Mein Lebensstil? Darauf hat Sie doch bestimmt mein Ex-Mann angesetzt, oder? Er versucht immer noch, mich dafür büßen zu lassen, daß er uns diese Wohnung abtreten mußte. Was denkt der sich eigentlich? Daß ich jeden Abend zu Hause sitze - nachdem er mich und seine zwei Kinder für ein zwanzigjähriges Flittchen verlassen hat?«
»Madam ... «
»Nein, jetzt hören Sie mir mal zu. Was er uns gibt, deckt nicht einmal ein Viertel dessen ab, was seine Kinder brauchen. Und von dem, was ich darüber hinaus ausgebe, habe ich jede Rupie selbst verdient. All die Möbel und Kunstgegenstände, die Sie hier sehen, sind Teil meines Geschäfts. Ich arbeite hart.«
»Innenausstattung?«
»Ja. Und demnächst eröffne ich mit zwei Partnern eine Kunstgalerie.«
»Sehr gut. Trotzdem stellt sich die Frage nach dem unverhältnismäßig vielen Geld. Es sind da Zweifel geäußert worden.«
»Von wem? Hören Sie, wir wickeln unsere Geschäfte völlig legal ab.
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