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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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konnte kurzfristig beruhigen, doch letztlich war das eine Illusion. Man mußte lernen, mit der Angst zu leben. Sartaj wandte sich nach links und schlenderte den Bürgersteig entlang. Er war im Dienst und würde es noch eine halbe Stunde bleiben. Die Bombe konnte warten.

    Die Wissenschaft und Kunst, an jemanden heranzutreten, hatte Sartaj schon in frühen Jahren in seinem Elternhaus erlernt. Immer wieder waren Leute an seinen Vater, den Inspektor, herangetreten, meistens Leute, die in Schwierigkeiten steckten, die Hilfe brauchten. Sie wandten sich über Freunde, Verwandte, Kollegen an ihn, über Freunde von Freunden und politische Kontakte. Einmal war eine Frau - deren von ihr getrennt lebender Ehemann sie bedroht hatte - über Sartajs Schuldirektor an seinen Vater herangetreten. Suche eine Verbindung zu dem betreffenden Menschen und bringe ihn durch Gefälligkeiten und Versprechungen dazu, dir zu helfen. Das ganze Leben funktionierte nach diesem Prinzip - um es zu meistern, mußte man auf dieser Klaviatur zu spielen wissen.
    Die Kunst, an jemanden heranzutreten, beherrschte Sartaj also, das Problem war nur, daß er sie noch nie auf einen Filmstar angewandt hatte. Wie jeder in Mumbai kannte er einen Caterer, der gelegentlich bei Dreharbeiten für die Verpflegung sorgte, und zwei erstklassige Statisten. Außerdem hatte er einen entfernten Cousin, der einen Freund hatte, dessen Onkel Filmproduzent war. Keine dieser Verbindungen würde ihm zu einem entspannten Treffen mit Zoya Mirza verhelfen können. Das erläuterte er Mary und Jana spätabends auf einem großen Platz voller tanzender Menschen und heller Lichter. Er hatte sich erst sehr spät aus der Wache loseisen können, doch sie hatten auf einem persönlichen Bericht über die Zoya-Mirza-Lage bestanden. Also hatten sie sich in Juhu getroffen, bei Guru-ji Patta Mandas großer Navaratri-Feier. Die Plakate verhießen: »Der größte Dandia Raas aller Zeiten«, was Sartaj nicht ganz glaubte, doch seiner Schätzung nach waren immerhin an die dreitausend Tanzende versammelt. Nachdem er angekommen war, hatte er Janas Mann auf dem Handy angerufen und trotzdem noch eine Viertelstunde gebraucht, um sie am Coca-Cola-Stand zu finden. Sartaj war bezaubert durch den wolkigen Schimmer roter, blauer und grüner Ghagras spaziert. Die Tanzenden drehten sich im Kreis, die Stöcke flackerten in der Luft, und Sartaj war von dem Parfüm und dem perlenden Gelächter, der Sängerin und ihrem Pankhida tu uddi jaaje 474 regelrecht benommen. Dann entdeckte er Jana, die ihm über den wogenden Strom juwelengeschmückter Köpfe hinweg zuwinkte. Mary sah er erst, als er direkt neben ihr stand, und selbst da erkannte er sie einen ausgedehnten Augenblick lang nicht - bis sie lächelte und »Hallo« sagte.
    Jana grinste. »Sie sieht wirklich wie eine echte Gujarati aus, finden Sie nicht?«
    »Ja«, sagte Sartaj. Mary trug einen blauen Ghagra und einen tiefblauen, silberglänzenden Chunni, und ihre Haare waren mit Perlmuttspangen hochgesteckt. Ihre Lippen leuchteten rot. »Ich habe Sie erst gar nicht erkannt.«
    »Ich weiß. Aber so anspruchsvoll ist meine Verkleidung nun auch wieder nicht.«
    Sartaj fand, daß sie nicht ohne war, aber er nickte bloß und schüttelte Janas Mann Suresh die Hand, der in seiner purpurroten Kurta und seinem mit Goldfäden durchwirkten kurzen Jäckchen eine prächtige Erscheinung abgab. Suresh hielt den kleinen Naresh hoch, der genauso angezogen war wie er. Sartaj tätschelte dem Jungen den Kopf, wobei ihm bewußt war, daß Mary ihn die ganze Zeit beobachtete.
    »Hier«, sagte Jana. Sie reichte Sartaj eine Cola und deutete auf ein paar leere Stühle. Dann schickte sie Suresh mit Naresh weg, machte es sich bequem, zog Mary auf einen Stuhl neben sich und wandte sich Sartaj zu. »Erzählen Sie.«
    Die beiden waren äußerst unzufrieden, als sich herausstellte, daß Sartaj in bezug auf Zoya Mirza nichts zu berichten hatte. »Seid ihr Polizisten immer so langsam?« fragte Mary. Sie saß kerzengerade da, die Hände auf den Knien, wie eine Lehrerin.
    »Natürlich sind sie das, Baba«, sagte Jana. »Hast du noch nie versucht, etwas auf der Wache zu melden?«
    Sie neckten ihn, und Sartaj ließ ihre Kritik lächelnd über sich ergehen. Er breitete die Arme aus und sagte: »Es wäre anders, wenn die Sache offiziell wäre. Ich muß vorsichtig sein.«
    »Ganz offensichtlich müssen wir auch das für Sie erledigen«, sagte Mary. »Jana, hat nicht diese Stephanie, die früher bei

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