Der Pate von Bombay
Nalini und Yasmin gearbeitet hat, eine Schwester, die für Kajol die Maske gemacht hat?«
»Ja, stimmt. Aber wo arbeitet sie jetzt?«
Sartaj lehnte sich zurück und sah anerkennend zu, wie Jana die gewölbte Hand über das eine Ohr legte und ihr Handy ans andere preßte. Aus den Lautsprechern wummerte jetzt eine Garba-Version 214 von Chainya chainya, und zu dieser Beschallung spürte Jana Stephanie nach. Dann reichte sie das Handy an Mary weiter, die ihrerseits verschiedene Spuren verfolgte. Sartaj beobachtete zufrieden und voll Bewunderung, wie die beiden ihre Nachforschungen anstellten. Sie gingen quasi seitwärts vor, stellten Fragen, die sie Stephanie nicht unbedingt näher brachten, sondern die eher um sie kreisten. Jana und Mary unterhielten sich ausführlich über Stephanies ehemals beste Freundin, die auch bei Nalini und Yasmin gearbeitet hatte. Sie redeten über den Freund dieser Freundin, über ihren Ausflug zu dem neuen Einkaufszentrum in Goregaon und ihren Plan, im Winter nach Goa zu fahren. Soweit Sartaj es erkennen konnte, hatte das alles nicht das geringste mit Stephanie oder Zoya Mirza zu tun. Aber Jana und Mary führten ihre Unterhaltung über die ehemals beste Freundin mit größtem Engagement und Vergnügen, die Köpfe zusammengesteckt. Im Verlauf mehrerer Telefonate erfuhren sie Neues über andere Frauen und deren Leben, über Jobs und Hochzeiten und Geburten. Eben redete Mary mit irgendeiner Frau über die Angioplastie ihrer Großmutter. Sie beendete das Gespräch und sagte zu Sartaj: »Es ist zu spät, um diese Zeit schlafen schon alle. Aber bis morgen haben wir eine Verbindung zu Zoya Mirza aufgetan.«
»Über die Schwester, die für Kajol die Maske macht, nehme ich an«, sagte Sartaj.
»Machen Sie sich über uns lustig?« antwortete Mary. »Da versuchen wir Ihnen zu helfen, und Sie machen sich über uns lustig!«
»Nein, nein, das tue ich nicht. Im Gegenteil, es ist wirklich beeindruckend, wie Sie Ihre Nachforschungen betreiben.«
»Suresh behauptet immer, ich rede zuviel«, sagte Jana. »Er behauptet, ich labere endlos über völlig irrelevante Dinge. Er meint, um von von A nach C zu gelangen, müßte ich nicht über L, M und Z reden.«
»Ihr Frauen - wenn ihr von Churchgate nach Bandra wollt, fahrt ihr über Thane.« Mary imitierte nahezu perfekt Sureshs männliche Überheblichkeit. Sartaj und Jana kicherten.
In diesem Moment tauchte Suresh aus der Menge auf. »Ich habe Naresh bei Ma gelassen.« Er guckte ziemlich verdutzt drein, als seine Frau, Mary und Sartaj in schallendes Gelächter ausbrachen.
Jana stand auf und legte Suresh die Hand auf die Schulter. »Wir tanzen jetzt«, sagte sie zu den anderen. »Kommt ihr mit?«
Sartaj war erleichtert, als Mary den Kopf schüttelte. Es war ewig her, daß er Dandia Raas getanzt hatte, und er verspürte nicht das geringste Verlangen, in dieses strudelnde Meer von Experten einzutauchen.
»Geht ihr ruhig«, sagte Mary. »Ich bin ein bißchen müde.«
Jana und Suresh verschwanden unter den herumwirbelnden Tanzenden, die jetzt vier umeinander kreisende Zirkel bildeten.
»Ist das schön«, sagte Sartaj. Das waren sie wirklich, diese im bronzefarbenen Scheinwerferlicht funkelnden Kreise.
»Sie haben sich hier kennengelernt«, sagte Mary. »Jana und Suresh. Sein Vater ist einer der Organisatoren.«
Sartaj erinnerte sich daran, wie er sich mit Megha an Garba-Abenden getroffen hatte - das schien Ewigkeiten zurückzuliegen. Die Musik hatte damals nicht ganz so diskomäßig geklungen. »Kommen Sie schon lange hierher?«
»Seit vier Jahren, seit ich Jana kenne. Es macht mir Spaß, mich zu kostümieren und auszugehen.«
Er erwiderte ihr Lächeln. »Sich unter die Gujaratis zu mischen.«
»Es sind nette Menschen.«
»Außer wenn sie Muslime umbringen.«
»Das gilt ja wohl nicht für alle, oder? Selbst Muslime bringen manchmal Menschen um. Und die Christen auch.«
»Ja. So habe ich das nicht gemeint ... Tut mir leid.«
»Schon gut.« Sie drehte sich auf ihrem Stuhl um und sah Sartaj direkt an. »Sie halten wohl jeden für einen Mörder.«
»Jeder kann zu einem werden. Tur mir leid, wirklich. Das ist kein passendes Thema für einen Garba-Abend. So sieht man halt als Polizist die Welt.«
»Und was sehen Sie sonst noch an so einem Garba-Abend? Erzählen Sie mal.«
»Navaratri ist natürlich eine gute Gelegenheit für Taschendiebe. Es ist ein Haufen Geld im Umlauf. Bei manchen Veranstaltungen kostet eine Eintrittskarte fünfhundert Rupien, da
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