Der Pate von Bombay
sagte Mary, und Sartaj lachte laut auf. »Sie sind ja gut gelaunt heute.«
»Hallo, Mary-ji«, sagte Sartaj. »Ich habe gerade ein Lied im Radio gehört und ein paar Kinder, die es mitgesungen haben.«
»Und deshalb lachen Sie?«
Er spürte, daß sie lächelte. »Ich weiß, es ist ein bißchen verrückt. Aber Sie wissen ja, was man über Sardars sagt.«
Sie kicherte und sagte dann unvermittelt: »Es ist aber noch nicht zwölf Uhr mittags.«
»Sie sollten mich dann erst sehen!«
»Das habe ich schon, danke. Sie waren furchterregend.«
»Da habe ich ermittelt und mußte so ein Gesicht aufsetzen.«
»Setzen Sie für Zoya Mirza ein anderes Gesicht auf, ja? Sonst ergreift sie sofort die Flucht.«
»Zoya? Haben Sie eine Verbindung aufgetan?«
»Natürlich. Und wir haben herausgefunden, wo sie heute und morgen dreht. Haben Sie was zu schreiben?« In seinem Taschenkalender notierte Sartaj den Namen von Zoya Mirzas Maskenbildner und die Nummer seines Piepsers sowie den Namen des Produktionsleiters und dessen Handynummer. »Der Maskenbildner, Vivek, ist Ihr Hauptkontakt. Er weiß, daß Sie kommen, und hat schon mit dem Produktionsleiter geredet. Die beiden wissen bloß, daß Sie Polizist und ein großer Fan von Zoya Mirza sind und daß Sie sie unbedingt kennenlernen wollen.«
»Was ja auch stimmt.«
»Sie sind ein Fan von Zoya?«
»Ja.«
»Genau wie jeder andere Mann in Indien. Behalten Sie nur schön in Erinnerung, wer Ihnen die Möglichkeit verschafft hat, die gute Zoya kennenzulernen. Und rufen Sie uns an, sobald Sie von dem Treffen mit ihr zurück sind. Heute, nicht erst morgen. Vergessen Sie es nicht.«
»Das werde ich nicht. Danke. Es klingt, als wären Sie auch ein Fan.«
»Wir wollen bloß Bescheid wissen. Über alles.«
»Keine Sorge. Ich melde mich.«
»Ich warte auf Ihren Anruf.«
Als er eine halbe Stunde später in Andheri vor einer roten Ampel in der heißen, stinkenden Abgaswolke eines BEST-Busses 067 stand, dachte Sartaj immer noch an Mary. Sie wollte bis ins kleinste Detail über das Leben der Filmstars Bescheid wissen, was sie taten und was sie nicht taten. Wie eigentlich alle. Selbst die Leute, die vorgaben, sich überhaupt nicht für Filme und Filmstars zu interessieren, selbst diese Anti-Filmis kritisierten die Stars mit einer gehässigen Inbrunst, die ein beträchtliches aktuelles wie auch historisches Fachwissen erkennen ließ. Bei Mary kam persönliche Neugier hinzu, sie hatte eine Schwester verloren, und Zoya Mirza würde möglicherweise etwas Erhellendes über Jojo sagen. Mary hatte also viele Gründe, auf seinen Anruf zu warten. Aber zunächst mußte er noch einen normalen Arbeitstag bewältigen, mußte sich um Diebstähle und Banden kümmern - die Filmwelt und Mary mußten sich gedulden. Sartaj schwitzte, und plötzlich glaubte er wieder ein wenig an die Bombe, sie war zurückgekehrt, nistete irgendwo in der Tiefe seines Bewußtseins, wie eine unsichtbar im dichten Gras lauernde Ratte mit nadelspitzen Zähnen. Er spürte, daß sie nicht fern war, spürte es auf seinen Unterarmen und auf dem Rücken direkt unter dem Hals. Er verfluchte sie ausgiebig und aus tiefstem Herzen, und dann machte er sich auf den Weg zur Arbeit.
Wie sich herausstellte, konnten Sartaj und Kamble früher als geplant zur Film City aufbrechen, vor dem Ende von Zoya Mirzas Nachmittagsdreh. Sie fuhren an AdLabs 010 vorbei den Hügel hinauf zu einem riesigen Palast. Zoya spielte die Hauptrolle in einem hochkarätig besetzten Kostümfilm, einem der ersten wirklich großen Ausstattungsfilme seit Jahrzehnten, inklusive Schwertkampf und am Kronleuchter schwingender Helden. Vivek, der Maskenbildner, hieß sie auf Klappstühlen hinter dem Palast Platz nehmen, brachte ihnen zwei halbvolle Gläser Tee und erzählte ihnen von dem Projekt. »Dieser Film ist ganz anders als die anderen. Ein bißchen wie Dharamveer, bloß eben modern, auf dem aller-neusten Stand. Irre Spezialeffekte. Dieser ganze Palast wird sich in die Luft erheben, fliegen und dann mitten auf einem See zu sehen sein. Es sind gewaltige Schlachtszenen geplant, alles computergeneriert. Und einmal kämpft der Held mit einer riesigen hundertköpfigen Kobra.«
»Und wen spielt Zoya?« fragte Sartaj.
»Madam ist eine Prinzessin«, sagte Vivek. »Aber ihre Eltern, der Maharaja und die Maharani, werden ermordet, als sie noch ein Kind ist, und sie wächst im Dschungel bei der Familie eines Bandenführers auf. Niemand weiß, wer sie ist.«
Kamble schlürfte
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