Der Pate von Bombay
Flughafenhotels vorbeisausten.
»Das ist wirklich purer Wahnsinn«, sagte Bunty. »Heute werden überall Polizeikontrollen durchgeführt. Ich bin auf dem Weg hierher zweimal unter die Lupe genommen worden.«
Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Begrüß mich doch wenigstens erst mal.«
Er gab ein angespanntes, gereiztes Geräusch von sich, das entfernt an ein Lachen erinnerte, und nahm meine Hand. »Tut mir leid, Bhai«, sagte er. »Ich kann es einfach nicht glauben, daß Sie wieder da sind, und dann auch noch so.«
»Wie hätte ich denn sonst kommen sollen, Chutiya? Auf einem fliegenden Teppich?«
Er schüttelte den Kopf. »Das ging einfach zu leicht.«
Er hatte Angst, weil er allein unterwegs war, ohne seine Bodyguards. Ich hatte ihn gebeten, allein und unbewaffnet zu kommen. »Leicht gefällt es mir am besten. Wieso werden Sicherheitskontrollen durchgeführt?«
»In den letzten Tagen sind zwei große Raubüberfälle auf Geschäfte verübt worden. Anscheinend hat die Polizei Informationen über die Täter, ehemalige Angestellte. Kleine Fische, Bhai.«
Es hatte also nichts mit uns zu tun. Trotzdem standen an einigen Kreuzungen von Polizisten bewachte Absperrungen; bis wir zur Schnellstraße kamen, hatten wir zwei Kontrollen passiert. Die Polizisten spähten in die langsamer fahrenden Autos, und bei der zweiten Kontrolle leuchtete mir einer mit einer Taschenlampe direkt ins Gesicht. Dann winkte er uns durch. Bunty stieß mit einem dünnen Pfeifen den Atem aus.
»Beruhige dich, Bunty. Die werden mich nicht erkennen, die denken doch alle, ich wäre weit weg.«
»Sie haben abgenommen, Bhai, aber trotzdem ...«
Ich ernährte mich auf dem Schiff gut und bewegte mich viel, ich zwang mich zu einer gesunden Lebensweise, um meinen Körper zu läutern, und hatte dadurch die überflüssigen Pfunde aus dem Gefängnis und meiner Ehe verloren.
»Dafür hast du zugenommen«, antwortete ich. Das hatte er wirklich. Wir kamen an einer Gruppe von Ganesha-Verehrern vorbei, die einen anderthalb Meter hohen Ganesha auf einem Wagen hinter sich herzogen. Sie tanzten zum Rhythmus von zwei Trommeln, Männer, Frauen und Kinder. Sie waren glücklich. Ich spürte diesen altbekannten, lärmenden Trommelschlag im Nacken und in den Schultern. »Es gibt mehr Jhophadpatties 296 als früher«, stellte ich fest. »Schau doch nur.« Die Hütten waren bis an die Schnellstraße vorgekrochen, die in meiner Erinnerung von leeren Seitenstreifen und Buschland gesäumt war.
»Tatsächlich? Für mich sieht es aus wie immer.«
Ich war mehr als zwei Jahre weg gewesen. Für mich sah nichts aus wie immer. Unter dem orangefarbenen Licht der Straßenlampen lagen die Slums verschachtelt im Schlaf, dunkler und zahlreicher als früher. Wir fuhren an einer Reihe wuchtiger, leuchtend rot und grün gestrichener Lastwagen vorbei und durchquerten dann einen Markt, an dessen Ausgängen jeweils ein Berg triefender Gemüseabfälle lag. Diese Abfallberge waren bestimmt schon immer dort gewesen, doch sie fielen mir erst jetzt auf. Es war viel gebaut worden, höhere Gebäude, darunter ein weißes, das von gigantischen Betonpfeilern umgeben war, die drei zusätzliche, auf den ursprünglich vierstöckigen Bau aufgesetzte Stockwerke abstützten.
»Das ist einer dieser Extra-Geschoßflächenzahl-Fälle«, sagte Bunty.
Ein paar Bauunternehmer hatten ein paar Bürokraten geschmiert, woraufhin diese eine Lücke in den Vorschriften entdeckt hatten, die es ermöglichte, die höchstzulässige Geschoßflächenzahl zu manipulieren, so daß die ganze Stadt jetzt voll von diesen seltsamen storchenbeinigen Konstruktionen war. »Drei neue große Stockwerke«, sagte ich. »Das ist ein Haufen Geld.«
»Wir kennen den Besitzer«, sagte Bunty grinsend. »Er ist jetzt ein Freund von uns.«
Dieser GFZ-Käufer hatte also zu meinem Umsatz beigetragen, trotzdem war mir dieser neue Trend irgendwie unheimlich. »Ich würde nicht im Erdgeschoß von so einem Ding wohnen wollen«, sagte ich zu Bunty. »Die Stützen sind ja dünn wie Streichhölzer.«
Er lachte knurrend. »Um so besser, wenn das Ding zusammenbricht, Bhai«, sagte er. »Dann kann man nämlich ganz neu bauen, ohne das alte Haus darunter. Vielleicht sollten wir ein bißchen nachhelfen. Die neuen Wohnungen können sie nämlich doppelt so teuer verkaufen, und das ist nur gut für uns.«
»Chutiya«, sagte ich, doch ich lächelte dabei. Auf den Reklametafeln wurde in knalligen, nach vorn geneigten Lettern, die Tempo
Weitere Kostenlose Bücher