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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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verhießen, für Internetanbieter und Websites geworben. Autorikschas standen Schnauze an Schnauze da wie bauchige Insekten. Als ich mich bei diesem Gedanken - Insekten - erwischte, dachte ich: Ich bin zu lange weg gewesen.
    »Hier«, sagte Bunty. Er hatte uns ein Zimmer im hinteren Teil eines Wohnhauses in Santa Cruz besorgt. Es war eine ruhige Straße, der Vermieter war ein Möbelhändler mit zwei Töchtern im Schulalter, strenggläubig und sehr ehrenwert. Wir hatten zwei Einzelbetten, einen Kaffeetisch und ein sauberes Bad. Bunty rümpfte die Nase. »Ist es recht, Bhai?« fragte er, vorgeblich um mich besorgt. Tatsächlich war er derjenige, der mit seinem neuen Einkommen und seiner neuen Statur gewisse Ansprüche entwickelt hatte.
    »Absolut«, sagte ich. »Laß uns schlafen gehen.«
    Am nächsten Morgen weckte ich ihn um sechs. Er stöhnte, als er sah, wieviel Uhr es war, aber ich kannte kein Erbarmen. Ich holte ihn aus dem Bett, und wir gingen hinaus zu einem Restaurant in der Nähe. Wir tranken Chai aus der ersten Kanne des Tages und aßen Idlis. An einer Bushaltestelle wartete eine Schlange von Büroangestellten im staubigen Dunst der Autos und Busse. Schulkinder gingen, ihre Schultasche schwingend, an uns vorbei. Es stimmte mich froh, das alles zu beobachten, es war wie ein Festumzug für mich. Doch um halb neun schickte ich Bunty los, damit er mir einen Motorroller besorgte. Er protestierte. »Are, warum denn, Bhai? Ich fahre Sie mit dem Auto.«
    »Du wirst mich nicht fahren«, sagte ich. »Ich will einen Motorroller.«
    Er wollte mir widersprechen, aber ich brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen. Natürlich sorgte er sich um seine Zukunft und sein Auskommen, das deutlich bescheidener werden würde, wenn ich wieder im Gefängnis landete oder gar umgebracht wurde. Doch andererseits liebte er mich. Wir hatten mittlerweile so manche Schlacht zusammen geschlagen, und durch mich war er zu einem Mann mit geregeltem Leben, mit Frau und zwei Kindern, mit Verpflichtungen, Investitionen und Geld geworden. Deshalb haßte er mich jetzt ein wenig, denn ich zwang ihn, das alles in einem Zimmer in Goregaon ohne Waffen und Bodyguards aufs Spiel zu setzen. Trotzdem erschien er um halb zehn mit einem Motorroller vor unserer Unterkunft, einer grünen Vespa mit schicken versilberten Rückspiegeln.
    »Ich mußte ihn von jemandem ausleihen«, sagte er entschuldigend.
    »Die Mamus werden mich schon allein wegen dieser Rückspiegel anhalten«, sagte ich. »Dein Freund hält das Ding wohl für eine Rennmaschine?« Doch selbst diese Vespa zu fahren bereitete mir Schwierigkeiten, denn ich hatte das schon ewig nicht mehr gemacht. Ich geriet schon beim Anfahren ins Schleudern, und Bunty lief mir nach, bis ich ihn wegscheuchte. Die ersten zehn Minuten waren furchterregend, und doch mußte ich grinsen, wie ich so dahinbrauste, und sog den Fahrtwind durch die Zähne ein. Ich kam an drei Mandaps mit hoch aufragenden Ganeshas vorbei, alle in einem leuchtenden Orange. Als ich Juhu erreichte, hatte ich mich eingefahren, ich schlängelte mich souverän zwischen den Autos hindurch und schaltete flüssig. Ich war eine schnittige Erscheinung, das sah ich in den Rückspiegeln -ein Mann, der vormittags zielstrebig und wohlgelaunt unterwegs war. Ich war in Bombay, und ich hatte keine Angst. Ich war auf dem Weg zu meinem Guru-ji.
    Doch als ich zur Yagna-Sthala 601 in Andheri West kam, ging es nicht mehr weiter. Schon sechzig Meter davor begannen die Polizeikontrollen, für einen x-beliebigen Taklu 614 auf einem Motorroller war da kein Durchkommen mehr. Ich mußte die Vespa abstellen und mich mit mehreren hundert anderen Guru-ji-Anhängern zu Fuß der Villa nähern. Das Haus gehörte einem Filmproduzenten und Anhänger Guru-jis, einem Mann mit guten politischen Verbindungen und umfangreichem Immobilienbesitz in Bombay. Man hatte die freie Fläche vor dem Haus eingezäunt und eine Reihe an den Seiten offener Shamianas aufgestellt. Alles war bestens organisiert, zwischen den Shamianas führten breite, gerade Wege hindurch, auf denen Sadhus die Neuankömmlinge zu freien Sitzplätzen geleiteten. In den Shamianas hatte man Fernseher und Lautsprecher aufgestellt, damit auch diejenigen, die - wie ich - weit von dem großen Podium entfernt saßen, Guru-ji und das, was er tat und sagte, gut würden sehen und hören können. Doch noch war er gar nicht da, einige seiner Sadhus richteten gerade auf dem Podium die Utensilien für das Yagna. Er erschien Punkt

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