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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Dinge in ihrer ganzen Gewöhnlichkeit. Ich erzählte ihm regelmäßig von den Jungs, und er lauschte voller Hingabe und steuerte Kommentare und Vorschläge bei. »Guru-ji, heute habe ich eine unterhaltsame Episode zu bieten. Mein lahmer Esel Arvind hat erkannt, daß er eine der Randis liebt. Er will sie heiraten.«
    »Tatsächlich? Und was hältst du davon?«
    »Ich habe mir ihre Horoskope angeschaut. Ich sehe keine größeren Probleme.«
    »Nenn mir die Details.«
    Ich las ihm die Daten, Uhrzeiten und Orte vor, und als ich damit fertig war, hatte er bereits beträchtlichen Einblick gewonnen.
    »Dieses Mädchen ist sehr dynamisch«, sagte er. »Arvind besitzt Kraft und Intelligenz, aber er ist ziemlich passiv. Eine sehr tamasische 616 Persönlichkeit. Das Mädchen bringt ihn in Bewegung. Du hast recht, es gibt keine größeren Probleme. Aber sie werden nur Töchter bekommen. Und ihm wird seine Leber zu schaffen machen. Ansonsten passen die Horoskope gut zusammen. Laß sie heiraten, Ganesh. Die anderen Jungs mögen sich darüber lustig machen, aber wir als Führer müssen nach vorne blicken. Sie hat die Schulden von ihren früheren Geburten beglichen, es ist an der Zeit, daß sie aus diesem Dasein des Sich-verkaufen-Müssens erhoben wird. Das ganze Leben ist eine Vorwärtsbewegung, vom Niedrigen zum Hohen, es ist unsere Pflicht, dieser Entwicklung nachzuhelfen. Eine Hochzeit ist immer ein gutes Omen, und diese Ehe wird glücklich werden.«
    Sobald er das gesagt hatte, war es eine offensichtliche, strahlende Wahrheit. Und gegenüber den Jungs verfolgte ich dann genau diese Linie. Noch am selben Abend, nach dem Telefonat mit Guru-ji, rief ich Arvind und Suhasini zu mir, erteilte ihnen meine Erlaubnis und redete mit ihnen. Ich sagte, daß sie sich auf eine große Reise begäben und ganz besonders stark und diskret sein müßten, weil viel über sie geklatscht werden würde. Ich versuchte vor allem, ihr zu vermitteln, was sie ihrem künftigen Mann schuldig sei, was für eine großartige Sache er da für sie tue. Diese Suhasini hatte wirklich Sonali Bendres schlanken und hohen Wuchs, die gleichen langen Beine, doch ihr Gesicht war gröber und dunkler. Sie hörte mir mit niedergeschlagenen Augen zu, doch ich spürte die enorme Energie in ihrem Innern, von der Guru-ji gesprochen hatte. Da war wirklich Bewegung.
    Und so wurde alles in die Wege geleitet. In weniger als einer Woche waren sie verheiratet. Natürlich rief ich vor der Hochzeit Jojo an und erzählte ihr von meiner Entscheidung.
    »Da tust du ausnahmsweise einmal etwas durch und durch Gutes, Gaitonde.« Auch sie gab den beiden ihren Segen und schickte ein Geschenk, Diamantringe für beide mit angemessen großen, in Weißgold gefaßten Steinen. Wir organisierten einen Saal und ließen einen Pandit aus Bangkok kommen. Ich hatte den Jungs ins Gewissen geredet, sie sollten den feierlichen Anlaß respektieren, doch ich merkte, daß die Shloka-Rezitation 589 sie ohnehin beruhigte. Die ernste Entschlossenheit, mit der sich Arvind und Suhasini aneinander banden, brachte selbst den betrunkenen Ramesh zum Schweigen. Die Jungs saßen mit überkreuzten Beinen in einem kleinen Kreis und sahen zu. Ich für mein Teil wurde melancholisch. Die Flammen knisterten, ich versank in der Erinnerung. Meine Brust schmerzte vor Sehnsucht nach Abhi, und mir fiel wieder ein, wie er mit seinen kleinen Fäusten gegen meine Wangen getrommelt und wie er mich geküßt hatte, wenn ich ihn darum bat.
    Meine Stimmung hielt auch noch an, nachdem wir das glückliche Paar für eine Woche nach Ko Samui auf Hochzeitsreise geschickt hatten. An diesem Abend meditierte ich, ließ meinen Atem im Bauch kreisen, doch es gelang mir nicht, die scharfzähnige Trauer, die mich verfolgte und immer wieder in die Fersen zwickte, loszuwerden. Ich schaltete den Fernseher ein und fand einen indischen Sender. Eine blonde VJ, die Hindi mit Akzent sprach, kündigte schnelle Songs an. Ich schaltete wieder aus. Ich lag wach im Bett und dachte: Obwohl ich meine Jungs bei mir habe, bin ich allein. Sie waren nur ein paar Meter von mir entfernt, bloß durch etwas Holz und Metall von mir getrennt, und trotzdem war ich allein. Meinen Jungs gegenüber mußte ich immer stark sein, ich mußte ihr Vater sein, fern und mächtig und manchmal auch zornig. Guru-ji und Jojo, die Menschen, denen ich von meiner Unzufriedenheit, meinen Sehnsüchten erzählen konnte, waren weit weg. Unsere Nähe bestand nur aus Worten, über Funkwellen und

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