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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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cremiges Mango-Eis, daß man sich in sommerliche Mango-Orgien der Kindheit zurückversetzt fühle, bei denen man die Dussheries aus großen Eimern mit kaltem Wasser gefischt habe. Er erzählte von Juninachmittagen, an denen die Hitze durch die Wände des Klassenzimmers drang, so daß siebzig Jungen in weißen Uniformen unruhig und mürrisch wurden und die verwegensten, beliebtesten von ihnen - Sartaj und seine Freunde - einfach aus dem Fenster springen und an der Straßenecke Kulfi essen mußten. Mary lachte über seine Geschichten und tat ihm noch Reis auf.
    »Ich wußte gar nicht, daß du so eine Schwäche für Süßes hast«, sagte sie. »Kulfi hab ich leider nicht, aber vielleicht sind noch ein paar Sahnebonbons da. Ich hatte auch Schokolade, aber die ist alle.«
    »Schon gut«, sagte Sartaj. »Nein danke, ich bin satt.«
    Dann aß er doch noch etwas. Als er fertig war, seine Hände gewaschen und sich mit einem Klecks von Marys Neem-Zahnpasta diskret die Zähne geputzt hatte, lehnte er sich mit dem Rücken ans Bett und lutschte ein Orangenbonbon, eins von dreien, die Mary ganz hinten auf einem Bord gefunden hatte. Sie spülte das Geschirr, und das melodische Klirren beruhigte Sartaj. Er seufzte, lockerte seine Schultern, schluckte den letzten Bonbonsplitter hinunter und schloß die Augen. Nur ein paar Minuten ausruhen, dachte er.
    Er wachte in einem dunklen Zimmer auf und spürte Marys Hand an seinem Gesicht. »Sartaj«, flüsterte sie, »leg dich ins Bett.«
    Er hatte geträumt, von Ganesh Gaitonde. Die Handlung des Traums verflüchtigte sich, als er sich auf den Ellbogen aufstützte, aber das letzte Bild sah er noch vor sich: Gaitonde, wie er durch eine Mauer hindurch mit ihm redete. Hören Sie zu, Sartaj.
    Er hatte zusammengerollt auf dem Boden neben dem Bett gelegen, ein Kissen unterm Arm. »Ich bin eingeschlafen«, sagte er und kam sich idiotisch vor.
    »Du warst so müde.«
    Er konnte ihre Augen, ihr Gesicht nicht sehen, aber er wußte, daß sie ihn anschaute. Er stand auf und setzte sich neben sie aufs Bett. Sie rückte auf die andere Seite und streckte sich an der Wand aus. »Wenn ich so oft hier bin und über Nacht bleibe«, fragte er, »sagen die Nachbarn da nichts? Oder dein Vermieter?«
    Sie zog ihn sanft am Handgelenk. »Mach dir keine Gedanken. Du bist ein großer Punjabi-Polizist. Die haben viel zuviel Angst vor dir.«
    Er rückte sich neben ihr zurecht, und sie lagen still da, Schulter an Schulter. Sartaj holte tief Luft und drehte sich auf die Seite, und auch sie hatte sich ihm zugedreht. Sie küßten sich. Im Dunkeln waren ihre Lippen voll und geschmeidig, anders als zuvor. Sie schmiegte sich in seinen Arm und preßte ihren Mund auf seinen. Und da war ihre Zungenspitze, flink und lebendig, so daß es ihm durch und durch ging. Ihr Atem drang in ihn ein.
    Ein tiefer, rauher Ton brach aus ihm hervor, und er wurde hart an ihr. Er legte ihr die gespreizte Hand ins Kreuz und zog sie an sich, ihre Hüften, ihren Bauch. Als er halb auf ihr lag, merkte er, daß sie sich zurückgezogen hatte, in Gedanken woanders war. Ihr Arm lag steif an seinem Rücken. Er rückte von ihr ab.
    »Tut mir leid, ich ...«, sagte sie. »Ich ...«
    Sartaj spürte ihre Unruhe, ihre Angst. Er versuchte sie zu besänftigen, strich ihr durchs Haar. Er hatte eine schmerzhafte Erektion und sehnte sich danach, sie zu besitzen, aber irgendwie war er es auch zufrieden, nur eng umschlungen mit ihr dazuliegen. Sein Atem vermischte sich mit ihrem, und nach einer Weile sah er ein Lächeln aufschimmern. Auch er lächelte, und sie küßten sich wieder. Sie war anders als die Frauen, mit denen er bisher zusammen gewesen war, nicht unerfahren, aber scheu. Sie knabberte vorsichtig an seinem Kinn, als wollte sie etwas neu Gelerntes ausprobieren. Er faßte ihre Unterlippe mit den Zähnen, spielte mit ihren Mundwinkeln. Sie lachte, und er lachte mit. So lagen sie beieinander. Der Babyshampooduft ihres Haars war das letzte, was Sartaj wahrnahm, dann schlief er dankbar darin ein.

    In der köstlichen Kühle des Tagesanbruchs träumte Sartaj. Er ging eine endlose, gewundene Gasse in einem Basti entlang. Die Wellblechdächer glänzten schwarz im Regen, und ein Mann spannte eine zerrissene Plastikplane über seine Hütte. Katekar ging neben Sartaj her, und sie unterhielten sich über die Unruhen. »Schlimme Tage waren das«, sagte Katekar. Kazimi war auch dabei, er ging vor ihnen her. Sie gingen und gingen. Sie sprachen über die Bombenanschläge.

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