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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Shampoo. Lieblingshaaröl: Dabur Mahabrahmraj Hair Oil.« Inzwischen brachte sie vor lauter Lachen kaum mehr ein Wort heraus. »Lieblingspuder: Denim und Nycil. Lieblingsrasierwasser: Denim und Old Spiee. Lieblingszahncremes: Colgate Gel Blue und Aquafresh. Lieblingsjeans: Levi's. Lieblingsautos: Cielo, Tata Safari, Maruto Zen, Maruti 800, Ferrari 360 Spider.«
    »Einen Ferrari hat dieser kleine Maderchod in seinem bhenchod Distrikt Begu Sarai doch nie auch nur gerochen. Die haben da oben überhaupt keine Straßen, die diesen Namen verdienen.«
    »Er hat sich eben kundig gemacht, Gaitonde. Komm, hör zu.«
    Ich bekam ein komisches Gefühl im Bauch, als ich Sanjay Kumars Listen hörte, eine sanfte, durch meine Venen gleitende Panik. Natürlich war es lustig. Jojo las die Listen vor, und wir lachten. Trotzdem blieb da dieses unbestimmte Gefühl in meiner Brust, als stürzte ich ins Bodenlose. Ich wollte Jojo nichts davon sagen, und selbst wenn ich es gewollt hätte, ich hätte nicht die passenden Worte dafür gefunden. Ich war noch nie in Bihar gewesen, aber ich konnte mir den Distrikt Begu Sarai sehr gut vorstellen, wußte genau, wie das Dorf Chhabilapur aussah: Es gab eine löcherige Straße, die sich durch die Felder wand und von der schlammige Wege zu kleinen Ansammlungen von Hütten und Häusern führten. Es gab etwas, das sich Grundschule nannte, tatsächlich aber nicht mehr als ein Haufen Kinder war, die im Innenhof des örtlichen Shivatempels saßen, wo ihnen ein Lehrer - wenn es denn einen Lehrer gab - das ABC vorsagte. Der Obstgarten des Sarpanch 562 wurde von einer langen Mauer begrenzt, an der Werbung für Maschinenöl und Saatgut hing. Eine Arbeiterfamilie hockte am Teich und wartete darauf, für ihr Tagwerk entlohnt zu werden. Es gab ein dreistöckiges College, in dessen fleckigen Korridoren Scharen von Schülern herumlungerten. Draußen die Motorräder der reichen Schüler, der Kaufmanns- und Grundbesitzersöhne. Darüber ein leerer Himmel. Wo hatte Sanjay Kumar die Details seiner Liste her? Aus geliehenen Zeitungen, weitergereichten Zeitschriften? Aus dem Fernsehen, wenn er bei einem Freund zwischen zwei Stromausfällen mal hatte fernsehen dürfen? Er hatte seinen Brief entworfen, ihn dann ins reine geschrieben und nach Bombay geschickt. Es war die Vorstellung, wie Sanjay Kumar im Licht einer Laterne über diesen Brief gebeugt dasaß, die mir dieses mulmige Gefühl verursachte.
    »Ganz am Ende des Briefs«, sagte Jojo, »nach der Abschiedsfloskel, kommt noch eine Bitte.« Sie schnaubte. »Vorne listet er Englisch als eine seiner Sprachen auf, aber jetzt schreibt er: ›Ich harre Ihrer prompten und freundlichen Antwort. Bitte schreiben Sie mir nur auf Hindi zurück.‹ Dieser Sanjay Kumar ist nicht eben der Hellste. Oder er hält Model-Agentinnen in Bombay für Chutiyas.«
    »Wer würde es wagen, dich für eine Chutiya zu halten, Jojo? Nein, nein, der arme Junge versucht nur, in der Welt vorwärtszukommen. Vergiß nicht, auch du warst mal an dem Punkt.«
    »So ein Gaandu wie der war ich nie. Einen Brief nach Bombay zu schicken und eine Antwort auf Hindi zu verlangen! Weißt du, ich bin jetzt schon eine ganze Weile in diesem Geschäft. Ich habe ein Gefühl für solche Menschen entwickelt, ein Gefühl dafür, wer vorwärtskommen wird und wer nicht. Und ich sage dir, dieser hier hat keine Chance. Nicht mal wenn er aussieht wie Hrithik Roshan. Wenn der nach Bombay kommt, wird er mit fliegenden Fahnen untergehen.«
    Dem konnte ich nichts entgegensetzen. »Ja«, sagte ich. »Ja.« Sanjay Kumar hatte keine Chance. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal eine Chance, wenn er in seinem verrottenden, beengenden Heimatdorf blieb. Aber ob er nun fortging oder blieb, er würde weiterhin Filme anschauen, Listen aufsetzen, Briefe schreiben. Dummer Hund. Doch es gab Millionen und Abermillionen wie ihn, im ganzen Land. Es gab sie, und sie waren unser Publikum. Für sie würde ich einen Film machen.

    Natürlich zog ich Guru-ji zu Rate, bevor ich Geld in die Sache steckte. Ich wollte Jamila auf der Leinwand sehen, und ich war mir sicher, daß sie ein Star werden würde, aber ich brauchte eine gewisse Orientierung. Ich wollte mich nicht kopfüber in etwas stürzen, wovon ich nichts verstand. Aber Guru-ji sah nichts Genaues, er konnte nicht in die Zukunft meines Films sehen. »Ich habe ein gutes Gefühl, was dieses Projekt angeht, Beta«, sagte er. »Aber mehr auch nicht. Das kommt vor - manchmal ist es, als versuchte ich,

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