Der Pate von Bombay
durch eine verkrümmte Linse zu sehen. Manches ist klar und scharf zu erkennen, anderes verschwindet völlig. Jedenfalls sehe ich nichts Schlechtes.«
»Aber auch nichts Gutes«, sagte ich.
»Nein, das nicht. Aber gemessen an manch anderem, was du getan hast und weiterhin tust, ist das Risiko gering.«
Er hatte wie immer vollkommen recht. Ich hatte schon oft mein Leben aufs Spiel gesetzt, und hier ging es nur um Geld. Mir fiel ein, was Paritosh Shah immer gesagt hatte: Wenn man Lakshmi gehen läßt, kommt sie mit dem Vielfachen zurück, wenn man versucht, sie einzusperren, flieht sie und kommt nie mehr wieder. Für Jamila mußte ich meine Lakshmi in die Welt ziehen lassen, ohne Wenn und Aber. Es war nicht mehr als recht und billig.
Der Film war also beschlossene Sache. Das Produktionsteam zusammenzustellen war kein Problem. Ich hatte das nötige Geld, also engagierte ich die Besten. Genauer gesagt, ich ließ mir von Jojo einen Produzenten besorgen, einen gewissen Dheeraj Kapoor, und dieser Dheeraj engagierte dann die anderen. Dheeraj hatte hintereinander drei Hits gelandet, alle mit einem Budget von vier bis sechs Crores, angesehenen Schauspielern und starken Drehbüchern. Jetzt hungerte er nach einer Chance, in eine höhere Riege aufzusteigen, das Spiel mit zwanzig bis dreißig Crores und echten Stars zu spielen. Ich ließ gern hungrige Männer für mich arbeiten. Man mußte sie im Auge behalten, aber sie brachten Leistung. Und dieser Dheeraj war ein Mann der Zukunft, das spürte ich. Er würde Erfolg haben.
Unterdessen eilte die neue Jamila von Triumph zu Triumph. Wir hatten ihr einen neuen Namen gegeben, einen Namen, der zu einem werdenden Star paßte: Sie hieß jetzt Zoya Mirza - ein schöner, modern klingender Name, kurz und leicht sowohl zu schreiben wie auch auszusprechen; außerdem hatte er dieses schnittige Z am Anfang und noch einmal am Ende. Es war ein neuer Name, der in dieser neuen Welt bestehen konnte. Und sie selbst war, nach Vollendung der Korrekturen an ihrem Gesicht, mehr als neu. Sie war die Zukunft. Dr. Langston Lee hatte an ihren Wangen, ihrem Haaransatz, ihrem Kinn und ihrer Nase keine radikalen Eingriffe vorgenommen, nur hier etwas Masse reduziert, dort ein paar Millimeter hinzugegeben. Sie war dieselbe und doch völlig anders. Vorher war sie bemerkenswert gewesen. Jetzt war sie umwerfend. Manchmal war es schwierig, sie auch nur anzuschauen, es kam mir vor, als wäre sie weit weg, selbst wenn sie direkt neben mir saß. Ihre Schönheit löste ein sehnsüchtiges Verlangen in mir aus, das ich kaum ertrug. Sie war perfekt, und durch sie spürte ich diese Wunde, dieses quälende Loch tief in meinem Innern, das schmerzte, wenn sie fern war, doch noch viel mehr, wenn sie in meiner Nähe war.
Und sie war erfolgreich. Sie stand öfter im Rampenlicht als sonstwer in der Stadt und erschien zweimal innerhalb eines Monats auf der Titelseite eines Hochglanzmagazins. Schon vor ihrer Wahl zur Miss India wurde ein ziemlicher Wirbel um sie veranstaltet, danach natürlich erst recht. Sie gewann den Wettbewerb mühelos und ohne sich auf die übliche Weise kompromittieren zu müssen. Sie entzog sich den Fotografen, Preisrichtern und Verlegern auf eine fast schon provozierende Art und sicherte sich ihre Krone. Den Chefredakteur der Zeitung, die den Wettbewerb sponserte, wiegte sie in dem Glauben, sie werde ihn ranlassen, wenn sie die Krone gewann, und dann ließ sie ihn auflaufen. All das konnte sie tun, weil ich sie unterstützte. Nicht, daß wir Druck ausgeübt, jemanden bestochen oder irgendeine andere unserer gängigen Techniken angewandt hätten. Nein, ich stellte einfach das Geld zur Verfügung, das es ihr erlaubte, zu der geradezu überirdischen Zoya zu werden und nein zu sagen. Geld erschafft Schönheit, Geld verleiht Freiheit, Geld macht moralisches Verhalten möglich. Und Geld macht Filme. Also begann ich die Arbeit an meinem Film mit Manu Tewari.
Dieser Manu hatte bereits zu drei kleineren Produktionen das Drehbuch geschrieben, die letzte war sogar mit dem National Award für den besten Film ausgezeichnet worden. Ich hatte den Streifen gesehen und ihn - dafür, daß es ein Avantgarde-Film über Hijras war - durchaus unterhaltsam gefunden, das Drehbuch fand ich richtig stark. Wir ließen Manu Tewari nach Thailand einfliegen. Ich war bereit, Dheeraj und seinem Team viele der anderen Entscheidungen zu überlassen, aber über die Story wollte ich die Kontrolle behalten. Ich hatte selbst die eine oder
Weitere Kostenlose Bücher