Der Pate von Bombay
andere Idee, hatte mir in letzter Zeit viele Filme angesehen und verfolgte die wöchentlichen Einspielergebnisse sowohl in Indien als auch im Ausland. Ich wußte, was ich in meinem Film haben wollte. Dieser Manu allerdings erwies sich nicht nur als Sozialist, sondern noch dazu als einer, der den Kopf voll starrer Regeln hatte. Während seiner ersten drei Tage bei uns verhielt er sich still wie das Kaninchen vor der Schlange. Dheeraj Kapoor hatte ihm nur gesagt, daß er nach Bangkok fliegen werde, um sich mit dem Finanzier des Films zu treffen. In Bangkok hatte man Manu abgeholt und in ein anderes Flugzeug gesetzt, das ihn nach Phuket brachte, und plötzlich fand er sich auf einer Yacht in Gesellschaft von Ganesh Gaitonde und einer Menge übel aussehender Burschen mit großen Pistolen wieder. Natürlich war er wie gelähmt, er wußte nicht, wo er sich hinsetzen, wann er aufstehen und ob er ohne Erlaubnis pinkeln gehen durfte. Meine Jungs hatten ihren Spaß damit, sich vor ihm besonders blutrünstig zu geben, ihre Pistolen neu zu laden, damit herumzufuchteln und dem armen Autor fürchterliche Angst einzujagen.
Irgendwann scheuchte ich sie jedoch fort, drückte Manu Tewari ein Glas Scotch in die Hand und beruhigte ihn. Ich lobte alle seine Filme und sagte ihm, der letzte habe mich sogar zum Weinen gebracht, und das, obwohl er von Hijras gehandelt habe, was ein weitaus größeres Kompliment für ihn war als irgendein bhenchod National Award. Er entspannte sich etwas, nippte an seinem Scotch und deutete ein Lächeln an. Autoren sind auf eine jämmerliche Weise anfällig für Lob. Ich habe mit Politikern, Gangstern und heiligen Männern zusammengearbeitet, aber keiner von ihnen kann es mit den Autoren aufnehmen, was das Nebeneinander von monumentaler Selbstüberschätzung und mäuschenhafter Verzagtheit betrifft. Ich schmierte Manu ordentlich Honig ums Maul, und er entspannte sich. Und da die Bewunderung, die ihm zuteil wurde, von Ganesh Gaitonde kam, genoß er sie um so mehr. Manu Tewari lehnte sich ins Sofa zurück, nahm einen weiteren Scotch an und erzählte mir von den Dreharbeiten zu seinem Hijra-Film - wie sie etwa den Helden davon hatten überzeugen müssen, daß es seiner Karriere keinen Abbruch tun würde, wenn er einen laudalosen, rocktragenden, händeklatschenden Hijra verkörperte. Manu Tewari war von mittlerer Größe, ja, er entsprach eigentlich in jeder Hinsicht dem Mittelmaß. Er war der Prototyp alles Durchschnittlichen auf dieser Welt, war nicht klein, aber auch nicht sehr groß, war in Bandra East aufgewachsen, Sohn eines mittleren Angestellten beim Finanzministerium, hatte in Rizvi das College besucht und eine vollkommen unspektakuläre akademische Laufbahn absolviert. Ich wußte das alles aus Dheerajs Hintergrundbericht, doch kein Bericht hätte den Wahnsinn erfassen können, den Manu Tewari irgendwo in seinem unauffälligen Körper verbarg und nur herausließ, wenn er über Filme redete.
»Naajayaz war gut, Bhai«, sagte er. »Die Szenen zwischen Naseer und Ajay Devgan waren ausgezeichnet, aber in der zweiten Hälfte zieht sich alles ein bißchen. Das ist das Problem bei Mahesh Bhatts späteren Filmen: Entweder geht alles zu schnell, oder es zieht sich. Und das arme Publikum versteht entweder gar nichts mehr, oder es langweilt sich.« Mir hatte Naajayaz eigentlich gut gefallen, aber ich sagte nichts und hörte ihm weiter zu. Mit Filmen kannte sich Manu Tewari wirklich aus, er konnte sogar mit Einzelheiten über einen obskuren Unterweltfilm aufwarten, der von 1987 bis zum Sommer 1990 gedreht worden war, 1991 in die Kinos kam und wieder daraus verschwand, ohne daß irgendwer Notiz davon genommen hätte. Außer eben Manu Tewari. Er wußte, wer der Musikproduzent gewesen war, welche Werbefilme der Kameramann im Anschluß an diesen Film gedreht hatte, mit wem es der Regisseur während der Songaufnahmen in Australien getrieben hatte und daß der Film in Bombay und Hyderabad durchschnittliche Ergebnisse eingespielt, im Punjab dagegen flächendeckend abgelehnt worden war. »Der beste Gangsterfilm der frühen Neunziger allerdings war Parinda«, fuhr er fort. »Der hat unserem Kino eine neue Richtung gewiesen, was den Aufbau und die realistische Atmosphäre angeht. Und Jackie Shroff 280 hat sich in diesem Film eindeutig als Schauspieler gefunden, er war danach ein anderer Mann. Außerdem ist Nana Patekar damit einem landesweiten Publikum vorgestellt worden. Und Binod Pradhans Kameraarbeit hat einen neuen
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