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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Manchmal eruptieren sie mit der Heftigkeit eines Vulkans, und dann verschwinden sie wieder im Untergrund. Dies ist die eigentliche Unterwelt, wo ewig das Verlangen brodelt. Ich hatte wie ein Kind erkannt und beim Namen genannt werden wollen. Und Guru-ji hatte es getan.
    »Wie haben Sie mich erkannt?« fragte ich. » Wie bloß? «
    »Glaubst du wirklich, daß du dich vor mir verstecken kannst?« Er tätschelte mir die Wange, dann drückte er mich an sich.
    »Guru-ji.« Ich lachte. Mit dieser einen Berührung hatte er mich von meiner Erschöpfung, meiner Wut, meiner Angst befreit. Deshalb kam ich zu ihm, durch die ganze Welt, allein. Ich hielt seine Hände. »Ich weiß, Guru-ji, mich zu sehen ist ...«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht hier.«
    Er rief einen seiner Sadhus herbei und sagte ihm, ich sei ein Bhakt namens Arjun Kerkar und habe ein sehr persönliches Problem, das ein langes Gespräch erfordere. Seine Leute schienen so etwas gewohnt zu sein. Guru-ji hob sich mit einer einzigen kraftvollen Bewegung in seinen Rollstuhl, und ich folgte ihm in die Tiefgarage. Vom Aufzug aus führten sieben Stufen zum Parkraum hinunter, die er in seinem Rollstuhl spielend nahm. Die dicken schwarzen Reifen machten surrende und klickende Geräusche, und der Rollstuhl tanzte die Treppe hinunter, perfekt im Gleichgewicht.
    »Super, Guru-ji«, sagte ich.
    »Das neuste Modell, Arjun«, sagte er, und seine Zähne blitzten über seine Schulter. »Alles computergesteuert. Ich kann auf zwei Rädern balancieren. Schau her.«
    Er drehte sich langsam auf zwei Rädern. Ich klatschte. Ein spezieller Transporter mit einer Rampe für den Rollstuhl wartete in der Tiefgarage, und mit diesem sausten wir nun zu dem Haus, in dem Guru-ji untergebracht war, der am Stadtrand gelegenen Villa eines seiner Anhänger. Alles war hervorragend organisiert, die Sadhus standen über kleine Walkie-Talkies miteinander in Verbindung, es gab keine Verzögerungen, keine überflüssige Bewegung. Innerhalb einer Viertelstunde waren wir in Guru-jis Suite, die genauso hergerichtet worden war, wie er es mochte: frische Blumen in sämtlichen Zimmern, Obst auf dem Tisch und seine CDs mit Sitarmusik und religiösen Gesängen neben seinem Bett. Ich zog die Schuhe aus und fand in einem kleinen Vorzimmer einen bequemen Sessel. Dort wartete ich. Guru-ji nahm ein Bad, diktierte seinen Assistenten einige dringende Briefe und entließ sie danach. Nun rief er mich herein. Er saß mitten im Zimmer auf dem Bett, in einem Dhoti und einer Kurta aus weißer Seide.
    »Komm«, sagte er und deutete auf einen Stuhl neben dem Bett. »Setz dich. Und erzähl mir, wann du das mit deinem Gesicht hast machen lassen. Und warum.«
    Ich erzählte es ihm. Er stimmte mir bezüglich meiner Sicherheitsbedenken natürlich zu, doch er sagte außerdem, diesen Drang, mich zu verändern, hätte ich aufgrund der bevorstehenden Veränderungen der Welt verspürt. »Eine neue Welt erfordert einen neuen Mann. Und du hast dich selbst erneuert. Es war dir ein Bedürfnis, du hast die Zeichen der Zeit gelesen, Arjun. Ich finde, das ist der richtige Name für dein neues Selbst. Ich werde dich von jetzt an Arjun nennen. ›Arjun, der mich irreführte‹.«
    »Nur für zehn Sekunden, Guru-ji. Sie sind der einzige, der mich erkannt hat.«
    »Es ist ein gutes Gesicht, Arjun. Niemand wird es erkennen. Und jetzt erzähl mir, warum du dich mit mir treffen wolltest.«
    Er hörte mir aufmerksam zu, als ich ihm von dem jüngsten Debakel berichtete. Ich sagte ihm, daß natürlich keine Operation je absolut sicher sei, daß ich mich über mehrere Delegationsebenen innerhalb der Company von dem Waffenschmuggel abgegrenzt und mehr oder weniger selbständig operierende Gruppen eingesetzt hatte. Außerdem hatten wir, um die Polizei von UP zu beschwichtigen und zufriedenzustellen, die eine oder andere Festnahme für sie arrangiert, natürlich nur rangniedere Männer. Doch sie besaßen mehr Informationen als vermutet, stellten weitere Nachforschungen an, und so waren sie schließlich auf mich gekommen. Ich hielt es für wahrscheinlich, daß dieser unermüdliche Arbeitseifer zumindest teilweise aus Dubai und Karatschi finanziell gefördert wurde, von Suleiman Isa und seinen Kumpanen. Sie nutzten ihre Verbindungsleute bei der Polizei für eine neue Kampagne in ihrem Krieg gegen uns. Und so setzte uns die Polizei nun unter Druck, in UP wie in Maharashtra.
    »Ja«, sagte Guru-ji. »Ja, Arjun.« Auch angesichts dieses ganzen Unheils saß er

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