Der Pate von Bombay
laß dir von mir gesagt sein.« Es war zwecklos gewesen, sie darauf hinzuweisen, daß Parulkar kein Marathe, sondern Brahmane war. »Was auch immer - er ist ein gerissener Bursche.« Ihre Abneigung gegen Parulkar hatte sich mit seinem stetigen beruflichen Aufstieg noch verstärkt, und als er Papa-ji überholt und noch weiter die Karriereleiter hinaufgeklettert war, hatte sie überhaupt nicht mehr von ihm geredet. Sie hatte ihn nur noch »dieser Mensch« genannt und nicht einmal mehr Einspruch erhoben, wenn Papa-ji von Schicksal sprach und meinte, jeder solle dankbar sein für das, was Vaheguru 651 ihm beschieden habe.
Sartaj stieg die schmale Wendeltreppe zu Mehtas winzigem Büro neben dem Lebensmittelladen hinauf. Mehta hatte sein Leben lang in diesen vier kleinen Kabinen gearbeitet, und er wohnte auch in der Nähe, in einer großen, aber einfachen Wohnung mit Blick aufs Meer. Er war ein Herr, gepflegt, diskret, ein stets ganz in Weiß gekleideter Parse 481 . »Are, Sartaj, kommen Sie, kommen Sie«, sagte er, reichte Sartaj über den Schreibtisch hinweg eine zerbrechliche Hand und begrüßte ihn mit einem kurzen, schlaffen Händedruck. Er war dünn, aber elegant, und Sartaj bewunderte jedesmal den Schnitt seines feinen grauen Haars. Homi Mehta erinnerte ihn vage an die Schwarzweißfilme, die sonntagnachmittags im Fernsehen liefen; man konnte sich gut vorstellen, wie er in einem schwarzen Victoria die Uferstraße entlangbrauste.
»Von Saab«, sagte Sartaj und stellte die Tasche auf den Tisch.
»Ja, ja, aber wann bringen Sie mir endlich Ihr eigenes Geld, junger Mann? Sie sollten für die Zukunft sparen.«
»Ich bin ein armer Mann, Onkel«, sagte Sartaj. »Wie soll man sparen, wenn man kaum genug zum Leben hat?«
Dieses Gespräch fand bei jedem von Sartajs Besuchen statt, doch diesmal gab Mehta nicht so schnell auf. »Are, was sagen Sie da? Der Mann, der Ganesh Gaitonde geschnappt hat, soll nicht wenigstens ein bißchen Geld haben?«
»Es war keine Belohnung ausgesetzt.«
»Manche sagen, Sie hätten ein nettes Sümmchen aus Dubai dafür bekommen, daß Sie ihm eine Kugel in den Kopf gejagt haben.«
»Ich habe Gaitonde nicht getötet, Onkel. Er hat sich selbst erschossen. Und niemand hat mich bezahlt.«
»Schon gut, Baba, ich hab nichts gesagt. Sie wissen ja, wie die Leute reden.« Mehta zählte Parulkars Geld und stapelte die Bündel auf der rechten Seite seines Schreibtischs ordentlich auf. Er war ein penibler Mensch, der seine Bücher gewissenhaft führte. Vor langer Zeit, bei einer ihrer ersten Begegnungen, hatte er einmal erklärt: »Ich bin in dieser unehrlichen Welt ein durch und durch ehrlicher Mensch.« Er hatte es ohne Stolz gesagt, als eine schlichte Tatsachenfeststellung. Geldtransfers ins Ausland und aus dem Ausland nach Indien, so hatte er Sartaj erklärt, liefen durchweg über Finanzverwalter. Manager nenne man sie auch oder - in Delhi - Direktoren, aber wie auch immer sie genannt würden: Alles hänge von ihrer Ehrlichkeit ab. Das Geld stamme aus geheimen Deals und Mauscheleien, aus Bestechung und Unterschlagung, Erpressung und Mord, doch die Manager verwalteten es mit Diskretion und Integrität. Sie ließen es verschwinden und wieder auftauchen, sie seien die geheimen Zauberer, ohne die im Geschäftsleben nichts gehe, und daher seien sie mit Gott und der Welt bekannt.
»Ich brauche Ihre Hilfe, Onkel«, sagte Sartaj.
»Ja?«
»Parulkar-saab meinte, Sie wüßten, wie ich mit einem von Gaitondes Leuten in Kontakt kommen kann.«
»Mit wem?«
»Bunty.«
Der alte Mann verzog keine Miene. Er wischte sich mit einem Papiertaschentuch die Finger und nahm einen neuen Stapel in Angriff. »Ich muß ihn fragen«, sagte er. »Was soll ich ihm sagen?«
»Ich möchte einfach mit ihm reden. Ich möchte ihm ein paar Fragen über Gaitonde stellen.«
»Sie möchten ihm ein paar Fragen über Gaitonde stellen.« Mehta nickte und verstaute den letzten Stapel. »Okay. Sie haben jetzt ein Handy - schreiben Sie mir Ihre Nummer auf.«
Sartaj grinste und notierte die Nummer auf einem Block. Dem alten Mehta entging nichts, nicht einmal die kleine Wölbung seiner Brusttasche. Sartaj hatte sich schließlich doch ein Handy zugelegt, nachdem er jahrelang erklärt hatte, die Geräte seien zu teuer und die Gebühren zu hoch. Am Ende hatte er viel zuviel Geld für ein winziges Motorola ausgegeben, weil es so schick war und so silbern glänzte. Es glänzte noch immer und war noch immer unbenutzt, und er hatte die Nummer
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