Der Pate von Bombay
keinerlei Zusammenhang mit irgendeinem Fall, und er mußte es allein tun. Er setzte Katekar am Revier ab und fuhr nach Santa Cruz, wo er in einem funkelnagelneuen Gebäude in einer Seitenstraße der Linking Road, unweit der Swaraj-Eisdiele, mit Parulkar verabredet war. Er parkte hinter dem Haus und bestaunte den grünen Marmor in der Eingangshalle und den schicken stählernen Aufzug. Die Wohnung, in der Parulkar ihn erwartete, gehörte angeblich seiner Nichte. Sie arbeitete bei einer Bank, und ihr Mann war im Import und Export tätig, aber die beiden waren kaum älter als dreißig und die Wohnung sehr groß und sehr teuer. »Namjoshi« stand in goldenen Lettern auf dem Türschild, doch Sartaj war überzeugt, daß die Vierzimmerwohnung in Wirklichkeit Parulkar gehörte. Wie er so mit gekreuzten Beinen auf einem riesigen Sofa im Wohnzimmer saß, ein beleibter Weiser in Khaki, vermittelte er jedenfalls den Eindruck eines Mannes, der sich in seiner eigenen erstklassigen Immobilie aufhält und sein Leben im Griff hat.
»Komm, komm, Sartaj«, sagte er. »Wir müssen uns beeilen.«
»Tut mir leid, Sir. Der Verkehr ist furchtbar.«
»Der Verkehr ist immer furchtbar.« Es klang jedoch nicht tadelnd, sondern väterlich und geduldig; Parulkar dachte nur an seinen vollen Terminkalender. Er zeigte auf ein beschlagenes Glas Wasser, das auf dem Tisch stand. Sartaj nahm den silbernen Deckel ab und trank, dann folgte er Parulkar durch die dämmrige Weite des Wohnzimmers in ein Schlafzimmer.
Parulkar schloß die Tür und tappte um das hohe weiße Bett herum auf die andere Seite des Raumes. Er öffnete einen Schrank und hob eine schwarze Segeltuchtasche heraus. »Vierzig sind es diesmal.«
»Ja, Sir.«
Vierzig Lakhs meinte Parulkar, seine jüngsten inoffiziellen Einnahmen, die Sartaj nach Worli bringen und Parulkars Finanzberater Homi Mehta übergeben würde, der sie gegen eine sehr maßvolle Provision wiederum auf ein Schweizer Konto schleusen würde. Sartaj brachte ihm alle paar Wochen Geld von Parulkar und wunderte sich längst nicht mehr über die Summen. Parulkar war stellvertretender Polizeichef eines sehr reichen Bezirks. Es war ein äußerst lukrativer Posten, und Parulkar schöpfte tief aus dem sprudelnden Quell. Geldverdienen war seine Leidenschaft, aber er war nicht gierig, und er ging sehr vorsichtig mit seinem Geld um. Sein persönlicher Assistent Sardesai sammelte es ein, wußte aber nicht, was weiter damit geschah, nachdem er es bei Parulkar abgeliefert hatte. Parulkar übergab es Sartaj, und der brachte es zu Mehta, dem Finanzberater. Sartaj wußte nur, daß es danach irgendwie aus Indien verschwand und im Ausland wieder auftauchte, wo es sicher angelegt wurde und Zinsen in harter Währung brachte.
Parulkar leerte die Tasche auf dem Bettüberwurf aus und gab sie Sartaj. »Achtzig Bündel Fünfhundert-Rupien-Scheine«, sagte er. Sie vertrauten einander vollkommen, vollzogen dieses Ritual aber jedesmal, ehe das Geld an Mehta ging. Sartaj nahm eines der gewichtigen Bündel und legte es in die Tasche. Achtzigmal würde er das vor Parulkars Augen tun, und sie würden beide mitzählen.
»Was wirst du im Fall Gaitonde unternehmen?« fragte Parulkar, den Blick auf Sartajs Hände gerichtet.
»Das wollte ich Sie fragen, Sir.«
Parulkar zog die Beine aufs Bett und nahm wieder seine Meditationshaltung ein. »Ich weiß nicht viel über die Gaitonde-Company. Ein gewisser Bunty hat ihre Geschäfte in Bombay geführt. Cleverer Bursche. Er ist von Suleiman Isas Leuten angeschossen worden und sitzt im Rollstuhl, aber er war Gaitondes Vertrauensmann und hat vom Rollstuhl aus weitergemacht. Früher konnte man einfach nach Gopalmath 239 fahren und sich mit ihm treffen, aber seit seiner Verwundung hält er sich versteckt. Frag Mehta nach seiner Nummer, der hat sie bestimmt.«
Als Finanzberater blieb Mehta im Hinblick auf die Bandenkriege strikt neutral. Alle Seiten nutzten völlig unbefangen seine Dienste und schätzen ihn gleichermaßen.
»Ja, Sir.«
»Aber die besten Informationen über Gaitonde wirst du natürlich von seinen Feinden bekommen. Ich kann ein paar Leute anrufen und einen Kontakt herstellen. Mit jemand sehr, sagen wir mal, Sachkundigem.«
»Danke, Sir.« Parulkar meinte damit, daß er seine Verbindungen zur Suleiman-Isa-Company spielen lassen würde, um Sartaj einen Ansprechpartner zu besorgen. Parulkars Beziehungen zu der Company reichten Jahre zurück, Jahrzehnte sogar, und der Informant, mit dem er Sartaj
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