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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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es zufrieden, im Schein der Laptop-Bildschirme zu sitzen und zuzuschauen, wie der Himmel in dem Fenster hinten sich verfärbte. Irgend jemand, er wußte nicht mehr, wer, hatte ihm einmal gesagt, die herrlichen Farben an Mumbais Abendhimmel kämen von der Luftverschmutzung über der Stadt, von den Millionen Menschen, die sich auf so kleinem Raum drängten. Das stimmte sicher, und trotzdem waren diese Violett-, Rot- und Orangetöne einfach grandios. Man konnte beobachten, wie sie sich veränderten, vertieften und schließlich im Schwarz verloren.
    Um zehn setzte sich Anjali Mathur zu ihnen. »Jetzt haben wir die Bestätigung«, sagte sie. »Sieben Männer sind in dem Haus. Wir haben zwei deutliche radioaktive Signaturen, und hinter dem Bungalow stehen zwei Lastwagen, Dreitonner. Wir nehmen an, sie wollten die Bomben damit zu ihren Ground Zeros fahren.«
    »Zwei Bomben? Was ist denn hier los?« fragte Kamble, starr vor Aufregung und Spannung.
    »Ein Team ist schon hier, einsatzbereit. Irgendwann in der Nacht schlagen sie zu, wann, entscheidet der Einsatzleiter.« Sie neigte den Kopf zur Vorderseite des Raumes hin, wo ein Militär über ein Funkgerät gebeugt stand. Sie schien auf eine Antwort von Sartaj zu warten.
    Er räusperte sich. »Ich bin sicher, Ihr Team wird es schaffen.« Unerklärlicherweise war ihm zum Lachen zumute. Er beherrschte sich natürlich, aber sie warf ihm im Weggehen einen prüfenden Blick zu.
    Kamble folgte ihr an den Tischen vorbei und kam ein paar Minuten später noch nervöser und gespannter zurück. Seine Augen blitzten, er beugte sich vor und schlug Sartaj auf die Schulter. »Die Black Cats sind da, Boß. Mit schwarzen Sturmhauben und Knarren und allem Drum und Dran.«
    Sartaj versuchte ein bißchen Begeisterung für die Black Cats 092 aufzubringen, aber er fühlte sich einfach nur schläfrig. Seltsam, daß er gar nicht aufgeregt war angesichts der Aussicht auf Rettung - wahrscheinlich lag es an der Erschöpfung. Das kommt vom fehlenden Schlaf, dachte er, und von dem ganzen Hin und Her in letzter Zeit, dem ganzen Streß, der da zusammengekommen ist. Vielleicht fühle ich morgen was. Aber im Moment sitze ich hier und fühle gar nichts. Das ist wahrscheinlich das viele Bier und der Whisky, davon sind meine Beine so bleischwer. Wahrscheinlich bin ich einfach nur hundemüde.
    Er wachte davon auf, daß er durchgeschüttelt wurde und zwei kräftige Hände eindringlich auf seine Wangen patschten. »Aufwachen, Sartaj!« Es war Kamble. »Gaandu, Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der seine besten Momente verschnarchen würde. Es geht los, Boß, die gehen jetzt gleich rein. Aufwachen. Aufwachen!«
    Sartaj richtete sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Wie spät ist es?«
    »Halb fünf.«
    Der Schrei eines Vogels zerriß die Stille vor Tagesanbruch. In der Kommandozentrale herrschte erwartungsvolles Schweigen, nichts regte sich. Sartaj wollte Kamble fragen, wie sie erfahren würden, daß der Befehl erfolgt und das Team in den Bungalow eingedrungen war, doch Kamble hatte die Hände vor dem Mund, die Daumen fest in die Wangen gedrückt. Er sah aus wie ein Junge, der darauf wartet, daß die Prüfungsergebnisse verkündet werden.
    Nichts veränderte sich in dem Raum, doch dann hörte man von fern eine Serie von Schüssen, dann noch eine, peng-peng-peng, peng-peng-peng. Ein letztes kurzes Donnern noch, und gleich darauf erhob sich vorn im Raum Jubelgeschrei. Anjali Mathur kam durch die applaudierende Menge angelaufen. »Wir sind gerettet«, sagte sie. »Wir sind gerettet!«
    Sartaj nickte und zwang sich zu einem Lächeln. Plötzlich war er von Polizeibeamten, RAW-Leuten und Black Cats umringt, die einander kniffen und umarmten und ihm die Hand schüttelten. Kamble hatte offenbar dafür gesorgt, daß sie wußten, wem der Erfolg zu verdanken war. Sartaj drehte sich um, und es gelang ihm, sich ganz langsam durch das Gedränge zu schieben und die Treppe hinunterzugehen. Er durchquerte das Gelände hinter der Molkerei, das vollgeparkt war mit Polizei- und Zivilfahrzeugen. Es roch nach Milch, und Sartaj glaubte auch einen schwachen, angenehmen Geruch nach Kuhdung wahrzunehmen. Aber er war sich nicht sicher-wie viele Molkereien in der Stadt hielten noch Kühe? Jedenfalls fühlte er sich neu belebt, als er den Geruch einatmete, und sein Kopf wurde nach und nach wieder klarer.
    Mit ein bißchen Geballer war also offenbar die Welt gerettet worden. Aber Sartaj fühlte sich deswegen nicht sicherer.

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