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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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als kicherndes kleines Mädchen vorstellen, aber aus Nikki war Ma geworden, die sich noch immer um ihn kümmerte, auch wenn sie sich langsam aus dem Griff der Welt löste. In seinem Zimmer drehte Sartaj den Ventilator voll auf und zog sich bis auf die Unterwäsche aus. Der Schlaf kam schnell, und als er aufwachte, war es schon dunkel. Er lag still da und lauschte in die Nacht hinaus. Ma hantierte in der Küche, die Nachbarn waren zu hören, ein leichter Wind, Autos, ab und zu Kinderstimmen. Wir sind noch da, dachte er, wir sind noch am Leben. Wir haben wieder einen Tag überlebt. Aber er fühlte sich bei dem Gedanken nicht besser.

    An diesem Abend rief Sartaj Iffat-bibi viermal an und am nächsten Morgen auf der Rückfahrt nach Bombay jede Stunde. Und immer sagte sie dasselbe: »Wenn sie soweit sind, sagen sie's mir. Und dann gebe ich Ihnen die Adresse Ihres Sadhus. Ich kriege die Information schon, Saab, keine Sorge. Ein bißchen Geduld noch, ein kleines bißchen.«
    Doch Sartaj, der sein ganzes Berufsleben lang Geduld geübt hatte, tat sich jetzt schwer damit. Wieder in Zone 13, sah er vom Eingang des Reviers aus Parulkar zur Arbeit kommen, heiter und energiegeladen wie immer. Er hatte die Falle, in der er bereits saß, also noch nicht bemerkt. Und er wußte noch nicht, wer sie ihm gestellt hatte. Bald würde er es wissen.
    Sartaj verließ das Revier und ging halbherzig einigen Hinweisen zu einem Einbruch nach. Dann fand er, es sei an der Zeit für ein frühes Mittagessen, und machte sich auf den Weg zum Sindur. Er bestellte Papad und Chicken tikka und gab dem Ober eine Flasche Royal Challenge Whisky in einer Plastiktüte. Als Kamble eine Stunde später eintraf, sah er das Sindur bereits durch einen leichten Dunstschleier. Kamble nahm Platz, und der Kellner stellte ein zweites Glas mit gelbbrauner Flüssigkeit auf den Tisch.
    »Wollen Sie noch was essen, Boß?« fragte Kamble.
    »Ich hab eigentlich gar keinen Hunger. Das hier reicht mir.«
    »Bringen Sie Naan 438 «, forderte Kamble den Ober auf. »Eine ganze Menge. Und Gemüse-Raita. Und Daal.« Er lehnte sich zurück, straffte die Schultern und fragte teilnahmsvoll: »Was ist los? Probleme mit dem Mädchen? Erzählen Sie.«
    Sartaj lachte, hielt inne und lachte erneut. Kamble wollte ihm Ratschläge in Sachen Frauen geben. Kamble, der Lebemann. Kamble war ein guter Kerl. Kamble war ein Dreckskerl, er hatte die Finger in jedem schmutzigen Geschäft, aber er war auch großzügig. Er war freundlich. Er war ein guter Mensch. »Kamble«, sagte Sartaj, »Sie sind ein guter Mensch.«
    »Ich bin so gut, wie ich sein muß, Yaar. Hier, trinken Sie Wasser. Was machen Sie?«
    »Was ich mache?«
    »Ja.«
    »Ich esse. Ich sitze mit einem guten Freund im Sindur beim Mittagessen.«
    »Ist das alles?«
    »Und ich warte auf eine sehr wichtige Information.«
    »Von wem? In welcher Sache?«
    Sartaj drohte Kamble mit dem Finger. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Gewährsleute müssen geheim bleiben. Auch für einen Freund. Diesmal zumindest. Aber die Information ist gut. Die ist gut, sag ich Ihnen. Und wir brauchen sie, für den großen Fall. Den größten Fall. Sie wissen ja.« Sartaj zeigte zu der gemusterten Decke hinauf und ahmte das Geräusch einer Explosion nach.
    »Ja, ich weiß. Hier, essen Sie.«
    Kamble legte ihm ein Stück Hähnchenfleisch auf den Teller. Sartaj nickte, nahm es und biß davon ab. Kamble bemühte sich weiter um ihn und sorgte dafür, daß er viel zuviel aß und dazu ein Glas Chhass 116 trank. Trotzdem gelang es Sartaj, seinen Alkoholkonsum halbwegs in Grenzen zu halten, obwohl Kamble den vorbeigehenden Kellnern trickreich immer wieder halb ausgetrunkene Gläser reichte. So war er nur angenehm benommen, als Shambhu Shetty hereinkam und sich zu ihnen setzte.
    »Ihre Leute haben mir gesagt, daß Sie hier sind.« Er hatte das pummelige Äußere eines rundum zufriedenen Mannes.
    »Sie müssen mehr Sport treiben, Shambhu«, sagte Sartaj. »So seh ich Sie nicht gern.«
    Kamble flüsterte Shambhu etwas zu, und Shambhu flüsterte zurück. Dann schlug er eine Zeitung auf und legte sie auf den Tisch. »Saab«, sagte er, »in der Bar bekomme ich morgens immer den Samachar . Ich dachte, das hier interessiert Sie vielleicht.«
    Eine riesige Schlagzeile lief quer über die ganze Seite: »Hoher Polizeibeamter bei Gespräch mit Don belauscht«. Das Foto darunter zeigte Parulkar in Uniform. Der Untertitel lautete: »Opposition fordert Suspendierung und Untersuchung.«

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