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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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besucht hatte, eine leidenschaftliche Parteiideologin und eine gewiefte, erfahrene Kämpferin. Aadil lernte sie kennen, als er eine Operation ihrer Gruppe in Singhbhum plante. Sie wies ihn auf die Mängel seines Plans hin, doch sein weißes Haar und sein legendärer Einsatz für die Sache rührten sie an. Sie heirateten, und die Hitze in Jhannus schlankem braunen Körper und seine Gier nach einer ganz bestimmten weichen Stelle an ihrem Halsansatz, direkt neben den harten Schultermuskeln, überwältigten ihn. Schon nach knapp zwei Jahren aber drifteten sie wieder auseinander. Man übertrug Jhannu den Befehl über eine Einheit in Hazaribagh, und wenn sie sich sehen wollten, mußten auf verschlungenen Wegen Botschaften ausgetauscht und riskante Fahrten unternommen werden. Aadil fragte sich auch, ob sie nicht angefangen hatte, die Qualität seines Engagements für den Kampf in Frage zu stellen. Zwar arbeitete er so hart wie eh und je, doch er stellte fest, daß all das Wissen seine Fähigkeit, die einfachen Dinge zu genießen, gemindert hatte. Nicht, daß er zum Zyniker geworden wäre, aber im Bett, weich gestimmt möglicherweise durch ihr Haar, das er an seiner Wange spürte, war ihm die eine oder andere Äußerung über die Parteiführung entschlüpft. Als er sich beispielsweise beim Genossen Jansevak über Jhannus Versetzung beklagte, hatte der gesagt: »Ein Parteiarbeiter muß mit so etwas spielend fertig werden. Aadil, mein Freund, vielleicht ist die Ehe für einen Soldaten gar keine so gute Sache. Wir müssen alles opfern.« Aadil wußte jedoch, daß der Genosse Jansevak nicht nur eine, sondern sogar zwei Frauen hatte. Mit der einen war er schon als Kind verheiratet worden, die andere, eine aufblühende Schönheit, war ihrer eigenen Kindheit noch kaum entwachsen. Er hielt sie in einem Haus in Gaya mit Satellitenschüssel, einem Fernseher in jedem Zimmer und zwei Stromgeneratoren. Vielleicht hatte Aadil Jhannu gegenüber eine Bemerkung darüber fallenlassen. Und einmal, ein einziges Mal nur, hatte er sich spät-nachts flüsternd zu all dem Töten, den Hinrichtungen und Vergeltungsschlägen geäußert. Da hatte sie den Vorsitzenden Mao zitiert: »Das Land muß zerstört und neu aufgebaut werden«, sagte sie, und ihr Körper versteifte sich.
    Aadil wußte auch, woher das Geld für das Haus des Genossen Jansevak gekommen war: aus den Abgaben und Steuern, die das PAC von Ladenbesitzern und Bauern erhob. Aadil kannte sich mittlerweile aus im Geschäft der Revolution. Viel Geld ging auch durch seine eigenen Hände, wenn es von unten nach oben weitergeleitet wurde. Daß die Logistik des Krieges irgendwie finanziert werden mußte, war klar. Er wußte, was ein AK-47, was tausend Schuß Munition kosteten. Hinzu kamen die Ausgaben für Gehälter, Broschüren, Reisen und Medikamente. Das alles war ihm klar, aber er konnte sich dem Gedanken nicht verschließen, daß das, was er tat oder anordnete, Erpressung war, nicht mehr und nicht weniger. Er nahm Geld. Er gab jungen Männern und Frauen Gewehre und forderte sie auf, ihm Geld zu bringen. Er versuchte seine Soldaten in Geschichte zu unterweisen, aber er wußte, daß viele von ihnen seine Lektionen genauso hersagten, wie sie religiöse Lieder gesungen hatten, ohne Neugier, ohne Verständnis. Jhannu zitierte in jedem Gespräch den Vorsitzenden Mao und praktizierte den dialektischen Materialismus tagaus, tagein, aber auf ein Parteimitglied wie sie kamen zehn andere, für die der Vorsitzende Mao nur ein verschwommener gelber Gott war, der ihnen Waffen in die Hand gab. Ein Hurensohn von Zamindar hatte ihnen mit Hilfe seiner Schläger ihr Land weggenommen, und nun besaßen sie ein Gewehr und reichlich Munition. Mehr wußten sie nicht, und mehr wollten sie auch nicht wissen.
    Über all das war sich Aadil im klaren, und weil er es seiner Frau gegenüber erwähnte, verlor er sie. Aber er war kein Konterrevolutionär, kein Revisionist. Seine Ideologie war klar wie ein Gebirgsbach. Er glaubte aufrichtig und uneingeschränkt, er vertraute noch auf die Verheißung der Zukunft. Die Revolution würde jegliche Form der Ausbeutung beseitigen, bis ein wahrhaft klassen- und staatenloser Weltkommunismus verwirklicht war. Es mußte so kommen. Die Revolution würde weitergehen. Es gab keine Befreiung ohne Revolution und keine Revolution ohne den Volkskrieg. Was wie eine unvollkommene Umsetzung des Marxismus-Leninismus-Maoismus aussah, war oft eine reine Frage der Machbarkeit. Man mußte mit

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