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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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hervorbringen, das Arbeiterparadies. Das stehe außer Frage. Es müsse so kommen.
    Paswan sprach schnell und ohne Pause. Seine Worte drangen wie eine reinigende Medizin in Aadil ein und brannten ihm die letzten Reste bürgerlicher Illusionen aus Kopf und Herz. Er erkannte, wie dumm es gewesen war, Hoffnung auf ein verrottetes System zu setzen. Den reaktionären Klassen zu trauen war ein Zeichen von Schwäche und Unwissenheit. Aadil wollte dabeisein, wollte bei der Revolution mitmachen.
    »Das sagt sich leicht«, wandte Paswan ein, »aber es ist sehr schwer.«
    »Ich will alles tun.«
    »Gut. Aber eins muß dir klar sein«, sagte Paswan streng. »Der erste Kampf, den ein Revolutionär gewinnen muß, ist der gegen Unwissenheit und schlechte Gewohnheiten. Wir erwarten ein einwandfreies Sozialverhalten, wie es eines Revolutionärs würdig ist. Du mußt dich in den Griff bekommen. Du mußt dich und dein Handeln ständig überprüfen und dich uneingeschränkt dem Kampf widmen. Weniger wird nicht akzeptiert.«
    Und noch am selben Tag sagte sich Aadil vom Tadi los. Er trank nie wieder. Er verschrieb sich dem Kampf. Genosse Jansevak trug ihm auf, die Armen in und um Rajpur zu unterweisen, revolutionäres Bewußtsein zu wecken, weiter auf dem Feld zu arbeiten, nicht den Mut zu verlieren. Neu gestärkt, tat Aadil seine Arbeit. Mit der Rückendeckung des PRC und begleitet vom Genossen Jansevak, suchte er erneut den Grundbuchbeamten auf, der sich nun überaus entgegenkommend zeigte. Es wurde umgehend Anklage gegen Nandan Prasad Yadav erhoben.
    Eine Woche später hatte Aadil kein Wasser mehr. Das Wasser für seine Felder kam aus dem Fluß im Osten und floß durch Prem Shanker Jhas Land, so war es seit Generationen geregelt. Nun aber riegelte Prem Shanker Jha den kleinen Kanal ab und erklärte, er wolle das Land dort bebauen, das Wasser, das durch seine Felder fließe, stelle eine Belastung dar, die er nicht länger hinzunehmen gewillt sei. Kein Argument konnte ihn umstimmen, und Aadil war nicht mehr bereit, sich aufs Bitten zu verlegen. Das Verhältnis zwischen Prem Shanker Jha und Nandan Prasad Yadav war nicht das beste. Sie waren Rivalen, was Einfluß, Geld und Land betraf, und die Politiker, die sie unterstützten, gerieten mitunter aneinander. Doch nun taten sie sich zusammen. So ist das in der kapitalistischen Welt, sagte Genosse Jansevak zu Aadil, erbitterte Feinde werden zu Freunden, wenn es um den Schutz ihrer Klasseninteressen geht. Aber keine Sorge, fügte er hinzu, wir werden kämpfen.
    Doch am Montag darauf wurde Aadil verhaftet. Um fünf Uhr morgens wurde er aus einem unruhigen Schlaf gerissen und aufs Polizeirevier gebracht. Die Anzeige hatte man bereits aufgesetzt: Aadil Ansari habe am Garhi chowki 125 gemeinsam mit elf unbekannten Männern zwei Polizisten umzingelt und überwältigt. Die Täter seien sodann in die Waffenkammer des Chowki eingebrochen und mit neun .303 Lee-Enfield-Gewehren und vierhundertsechzig Schuß Munition geflüchtet. Sie hätten die beiden Polizisten gefesselt und ihnen die Augen verbunden, die Beamten hätten den Anführer aber trotzdem genau gesehen und in ihm den berüchtigten Naxalitenführer Aadil Ansari erkannt.
    Auf der Grundlage dieser Lüge kam Aadil zehn Tage in Untersuchungshaft. Er wurde täglich geschlagen, mit Riemen und Lathis auf die Fußsohlen. Noor Mohammed protestierte verzweifelt an Nandan Prasad Yadavs Tor und saß ganze Tage weinend vor dem Revier. Nach zehn Tagen wurde Aadils Antrag auf Entlassung gegen Kaution abgelehnt mit der Begründung, er stelle eine Gefahr für die Gesellschaft im allgemeinen und für die beiden Zeugen seines Verbrechens im besonderen dar. Er wurde ins hundert Kilometer entfernte Gefängnis von Hasla verlegt, wo er auf seinen Prozeß warten sollte. Dort verbrachte Aadil zwei Jahre und drei Monate. Die Gerichtsverhandlung wurde x-mal anberaumt und wieder abgesetzt, weil die beiden Polizisten außerstande waren, vor Gericht zu erscheinen und ihre Aussage zu machen. Erst waren sie krank, dann wurden sie an die Grenze zu Nepal versetzt, dann waren sie wieder krank. Sie standen einfach nicht zur Verfügung. Doch eine Verhandlung mußte natürlich sein, und so blieb Aadil eingesperrt. Er war selbst überrascht, wie geduldig und guten Mutes er blieb in diesem stinkenden, baufälligen Gemäuer, in dem so viele vor die Hunde gingen. Der Bau war fünfzig Jahre zuvor für sechshundert Häftlinge errichtet worden, und jetzt saßen zweitausend darin ein. Das

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