Der Pate von Bombay
ich dem ein oder anderen Einwohner von Gopalmath für Medikamente oder Hochzeitssaris geliehen hatte. Aber das konnte ich nicht machen, und ich war schlau genug, Paritosh Shah nicht um einen so umfangreichen Kredit zu bitten. Er war Geschäftsmann, und ich war im Moment keine sichere Investition. Womöglich hätte er es nicht über sich gebracht, nein zu sagen, und das hätte uns entzweien können. Ich erkundigte mich wohl bei ihm, ob er einen Tip für einen großen Coup hatte.
»Ihr wollt ein Ding drehen«, fragte er, »das fünfundzwanzig Lakhs bringt? In drei Tagen?« Ich wußte, daß ich viel verlangte, aber er begriff, daß es dringend war.
»Ignorier das Risiko«, sagte ich. »Denk nur an den Gewinn.« Er mußte nicht lange nachdenken: Der Juwelier Mahajan in der Advani Road. Es gefiel mir, daß das Geschäft mitten im Gebiet der Cobra-Gang lag, rund zweieinhalb Kilometer von Rajesh Parabs Haus entfernt. Wir beobachteten das Juweliergeschäft einen Tag und eine Nacht lang, dann beschloß ich, daß wir tagsüber zuschlagen würden. Nachts wäre es wahrscheinlich ungefährlicher gewesen, aber dann hätten wir das schwere Schiebegitter, drei Schlösser, den ebenfalls abgeschlossenen Rolladen vor dem Eingang und schließlich die Glastüren knacken müssen. Nein, wir würden um vier Uhr nachmittags kommen, durch die offene Tür. Vor dem Geschäft hielt ein Wachmann mit einschüssiger Schrotflinte Stellung. Als er uns mit unseren sieben Pistolen und Hackmessern anrücken sah, ließ er seine Waffe jedoch ohne Zögern fallen. Und beim Rückzug hielt er uns die Tür auf. Wir hatten zwei gestohlene Wagen draußen stehen und entkamen ungehindert.
Jetzt hatten wir also das Geld. Die Ware allein reichte zwar nicht aus, Paritosh Shah gab uns fünfzehn Lakhs für alles, was wir erbeutet hatten, doch den Rest lieh er uns. Ich nahm das Darlehen an. Ich war wieder zuversichtlich, sah meinen Weg klar vor mir, und er spürte das. Mit dem Darlehen tat er mir keinen Gefallen mehr, sondern investierte in künftige Einnahmequellen. Ich war eine gute Geldanlage und womöglich mehr als das. Da ich nun die fünfundzwanzig Lakhs hatte, ließ ich Samant umgehend kommen, einen Tag vor der Zeit, und gab sie ihm. Und er nahm mich fest.
So wanderten wir ins Gefängnis, drei meiner Jungs und ich. Wir seien wegen Mittäterschaft an dem Raubüberfall auf das Juweliergeschäft Mahajan in Untersuchungshaft genommen worden, hieß es in der Presse. Draußen verschwanden meine Jungs von den Straßen, aus Gopalmath, und die Cobra-Gang feierte. Die G-Company sei erledigt, kurz und schmerzlos ausgeschaltet worden, glaubten sie zu wissen. Ich saß in meiner Zelle und betrachtete die Wand: Mit dem Rücken zur einen schaute ich auf die andere. Meine Jungs saßen um mich herum. Die Beengtheit ertrug ich gut, auch die Hitze, und ich würgte den trockenen Fraß gleichmütig hinunter, aber die Untätigkeit und Stille, dieser verordnete Ruhezustand kroch mir unter die Haut, so daß ich sie mir am liebsten vom Leib gerissen hätte. In meinen Venen sirrten und summten Insekten. Doch ich hielt mich zur Geduld an. Ich betrachtete die Wand. Und ich spürte, daß sie mich betrachtete, machtvoll in ihrer Ausdruckslosigkeit. Sie wollte mich überdauern. Sie wußte, daß sie es konnte. Ich zwang sie mit dem Blick nieder. Und ich wartete.
Es dauerte neun Tage. Als die Polizisten die Zelle aufschlössen, standen meine Jungs Wache, und ich pißte an die Wand, malte Kreise in ihre Gleichgültigkeit, erst dann ließ ich mich hinausführen.
Im Büro des Oberinspektors empfing uns ein Rechtsanwalt, der den Papierkram erledigt hatte und uns nun aus der Wache geleitete. Die Kaution war bezahlt. Draußen war es dunkel, ein mondloser, wolkiger Abend. Chhota Badriya erwartete uns in einem Wagen. Er sah sehr müde aus, und er hatte sich die Haare zurückgebunden, mit einem dieser Bänder, wie Mädchen sie benutzen.
»Was hast du denn da in den Haaren, Chutiya?« fragte ich.
»Ach, nichts, Bhai.« Er errötete und neigte den Kopf zu Seite. Und lächelte. Als er lächelte, wußte ich, daß die Welt in Ordnung war.
Er fuhr uns zügig in die Innenstadt, dann auf die Schnellstraße, an Goregaon vorbei, und ich erwachte zu neuem Leben angesichts der Menschenmassen, der sich vorwärts schlängelnden Laster und Pkw, der Kinder, die am Straßenrand Bällen hinterherliefen, des unablässigen Lärms. Ich war still, aber hellwach, wachsam wie eine Schlange. Chhota Badriya sagte nichts,
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