Der Pate von Bombay
hinten wieder heran und schlugen erneut zu. Sie waren alt und verwirrt wie ihr Anführer Rajesh Parab, der schließlich die größeren Companys um Hilfe anging, er wandte sich hierhin und dahin, sogar bis nach Dubai, und überall erhielt er Zusicherungen und Versprechungen, doch nichts weiter. Bei uns hingegen standen alle Zeichen auf Sieg, und wer den Kampf verfolgte, setzte auf uns. Man hatte allseits die Lektion gelernt: Ein kleiner Trupp von Kämpfern, durch widrige Umstände in brüderlicher Liebe zusammengeschweißt, kann eine große, schwerfällige Organisation, die den Mut und Glauben verloren hat, leicht in die Tasche stecken.
Rajesh Parab starb sechs Wochen später an einem Herzanfall, nachts im Schlaf, in seinem eigenen Bett. Paritosh Shah meinte: »Er hat wohl geträumt, daß du durch die Tür kommst.« Aber ich war froh, daß ich ihn nicht umbringen mußte. Ich wäre mir wie ein Hundefänger vorgekommen, der einen jaulenden müden Köter einschläfert, und das war nicht einmal in Gedanken ein Vergnügen.
In jenem Winter bekam ich heftiges Fieber. Mit einem permanenten Zirpen im Kopf wälzte ich mich fahrig und ruhelos in meinem schweißnassen Bett. Weder Filme noch Musik beruhigten mich, auch nicht das Mädchen, das Chhota Badriya anschleppte. Ich spuckte und spuckte, um den ständigen Andrang bitteren Speichels loszuwerden. Ich nahm Tabletten, trank Salzwasser, aß weißen Reis. Das Fieber blieb.
Daher war ich hellwach, als eines Morgens um halb zwei Chhota Badriya bei mir klopfte. »Wir haben Mohan Surve gefunden«, sagte er.
»Habt ihr ihn hier?«
»Draußen im Auto.«
»Bringt ihn rein.«
Ich stand auf und zog mich an. Seit er uns verraten hatte, war Mohan Surve aus Bombay verschwunden. Seit jenem Abend, als ich sein Gesicht vor der Mahal Bar gesehen hatte, rot erleuchtet von der Neonreklame, schien er vom Erdboden verschluckt zu sein. Keiner hatte ihn mehr gesehen, weder in Bombay noch in Wadgaon, wo seine Schwester mit Mann und Kindern wohnte, nirgends.
Chhota Badriya kam herein und half mir mit den Schuhen. »Wir haben seine Schwester beobachtet«, sagte er. »Der Briefträger hat uns ihre Briefe gezeigt.«
»Gut. Und dann?«
»Da gibt's nicht viel zu erzählen. Surve dachte wohl, er ist besonders schlau. Monatliche Postanweisungen, von einem gewissen Manmohan Pansare in Pune. Herauszufinden, auf welchem Postamt sie abgeschickt wurden, war ein Kinderspiel. Und dann haben wir das Postamt einfach beobachtet. Er hat sich einen Bart wachsen lassen.«
Der Bart auf Mohan Surves Gesicht war weich und dünn und veränderte ihn kaum. Er hatte immer noch dicke Pausbacken und Knopfaugen wie ein Eichhörnchen. Ich hätte ihn aus fünfzehn Metern Entfernung erkannt. Sobald er mich sah, fing er an zu brabbeln.
»Ich hab Schiß gekriegt, als das Geballer losging, Bhai, und da bin ich abgehauen und habe mich versteckt«, sagte er. »Ich wollte mit alldem nichts mehr zu tun haben, ich verkrafte das nicht, ich bin ein Feigling, Bhai, verzeih mir, aber so bin ich halt, verzeih mir. Sorry, Bhai, sorry.«
Er sagte immer wieder dieses englische Wort, sorry, und das verärgerte mich, brachte mich noch mehr in Rage als das, was er getan hatte.
»Wie hoch waren denn die Postanweisungen?« fragte ich Chhota Badriya.
»Fünftausend, sechstausend, in der Größenordnung. Bei der ersten waren es zehntausend.«
Ich sah Mohan Surve an. »Versuch's gar nicht erst, Mohan. Versuch's gar nicht erst.« Es kam ganz ruhig und im Flüsterton, was mich selbst überraschte.
Da brach er zusammen, er warf sich auf den Boden, umklammerte meine Knöchel und besudelte sich. Ich roch seine Pisse. Chhota Badriya hatte ihm die Handgelenke mit grünem Leitungsdraht zusammengebunden, und als er sich jetzt drehte und wand, scheuerte er sich die Haut auf. Blut tropfte über den Draht, und Mohan Surve redete und redete: Die Cobra-Gang habe sich an ihn gewandt, und er habe erst nein gesagt, aber dann hätten sie gedroht, seine Schwester und deren Mann und Kinder umzubringen. Vilas Ranade persönlich habe ihn mit einem Schwert bedroht. Also habe er ihnen gesagt, daß er an jenem Abend in der Mahal Bar sein werde, und sie hätten den Hinterhalt vorbereitet.
Chhota Badriya löste Mohan Surve von meinen Füßen, und dann ging ich in mein Zimmer zurück. Ich setzte mich aufs Bett. Ich dachte an Krishna Gaikwad, Pradeep Pednekar und Qariz Shaikh mit seinen Geschichten, sie waren damals als erste gestorben, und ich erinnerte mich daran,
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