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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Frauen war, sondern mangelnder Respekt vor Ahmad. Sartaj würde sich um die Sache kümmern, und Ahmad würde ihm Informationen liefern. Dann würde er in seinem Basti als ein Mann mit Beziehungen zur Polizei gelten, er würde von sich reden machen, mehr Menschen würden zu ihm kommen, um Schutz und Hilfe von ihm zu erbitten, und sein Einfluß würde wachsen. Wenn alles gut ging, würde es in einigen Jahren vielleicht Sartaj sein, der ihn mit Saab anredete. Doch das lag vorerst noch in weiter Ferne; erst einmal mußten die frauenbelästigenden Brüder in ihre Schranken gewiesen werden. Alle großen Karrieren begannen mit solch kleinen gegenseitigen Gefälligkeiten und wurden von ihnen getragen. Der beiderseitige Nutzen war das Schmieröl, das die großen und kleinen Maschinerien der Welt am Laufen hielt, und Sartaj nutzte es dazu, Verbrecher hinter Schloß und Riegel zu bringen. Er spürte ein Prickeln im Nacken und in den Unterarmen, die alte Erregung, die ihn jedesmal erfaßte, wenn ein Fall ins Rollen kam. Gut, sehr gut. Es war töricht, mit einem Erfolg zu rechnen, doch Sartaj konnte es sich nicht versagen, die Vorfreude auszukosten. Er würde die Mörder finden, er würde sie hinter Schloß und Riegel bringen, er würde siegen. Der Gedanke an den Sieg entfachte ein kleines Feuer in seiner Brust, das ihn für den Rest des Tages mit Energie versorgte.

    Am Abend erzählte Sartaj Majid Khan bei einem Glas Scotch von seinem neuen Informanten mit dem langen Namen. Majid trank keinen Alkohol, hatte aber stets eine Flasche Johnny Walker für Sartaj im Haus. Diesmal stürzte der Inspektor den Whisky besonders gierig hinunter. Während er Majid von Wasim Zafar Ali Ahmad erzählte, stellten Majids Kinder die Teller auf den Tisch, und ihre Mutter klapperte in der Küche mit dem Besteck.
    »Ja, ich kenne ihn, diesen Ahmad«, sagte Majid. »Das heißt, ich kenne seinen Vater.«
    »Woher?«
    »Ich habe ihn während der Unruhen aufgelesen, in Bandra, direkt neben der Schnellstraße. Ich war mit vier Mann unterwegs nach Mahim, da sahen wir von weitem drei Kerle, die sich über etwas beugten. Die Straßen waren gähnend leer, verstehen Sie, man sah weit und breit nur die drei. Ich sagte zum Fahrer, los, schnell, und wir gaben Gas, aber kaum sahen die Chutiyas den Jeep, rannten sie weg. Ein Mann lag auf der Straße. Grauer Bart, saubere weiße Kurta, weiße Topi 641 - ein alter Herr, ein Muslim. Er hatte vor ihnen weglaufen wollen, und sie hatten ihn eingeholt und niedergerissen. Er war total verängstigt, aber nicht verletzt.«
    »Das wäre er aber gewesen, wenn Sie ihn nicht gerettet hätten. Tot sogar.«
    »Are, ich hab ihn nicht gerettet. Wir kamen zufällig vorbei.« Majid sagte das nicht aus falscher Bescheidenheit; es war eine nüchterne Tatsachenfeststellung. Er kratzte sich die Brust und trank von seinem Nimbu pani. »Wir haben ihn hinten in den Jeep gesetzt und mitgenommen. Eine volle Stunde konnte er nicht sprechen. Seitdem kommt er jedes Bakr'id 050 zu mir ins Büro und bringt mir Gosht 241 , ich berühre es und schicke ihn wieder nach Hause damit. Und im Jahr darauf kommt er garantiert wieder. Netter alter Mann.«
    Sie standen auf dem Balkon von Majids Wohnung im achten Stock, an die Brüstung gelehnt. Ein kugelrunder Mond hing tief über den gestaffelten Rechtecken der Dächer. Sartaj konnte sich nicht erinnern, wann er den Mond zuletzt so voll gesehen hatte. Vielleicht, dachte er, muß man dazu so hoch oben sein wie hier. »Ist der Sohn nie mitgekommen? Um sich zu bedanken und Sie in irgendeiner Sache um Hilfe zu bitten?«
    »Nein.«
    »Schlauer Bursche.« Es zeugte von Ahmads Intelligenz, daß er sich nicht auf die Dankbarkeit berief, die seinen Vater mit Majid verband, sie nicht strapazierte. Er verhielt sich korrekt, ging den Weg über Sartaj, den Inspektor des Bezirks. Wenn er Sartaj und die Polizisten zufriedenstellte, würden sie ihn Majid empfehlen, und dank Majid würde er möglicherweise seinen Einfluß ausweiten.
    »Ja«, sagte Majid. »Der ist nicht so unbedarft wie sein Vater.«
    »Unbedarfte Menschen haben manchmal großes Glück, stimmt's?«
    »Manchmal. Ein Verwandter der Familie ist bei den Unruhen ums Leben gekommen. Ein Cousin.«
    »Ein direkter Cousin?«
    »Nein, wohl eher ein entfernter. Der alte Mann hat sich schrecklich darüber aufgeregt, als er das erste Mal bei mir war. Dabei konnte er von Glück sagen, daß es nur ein entfernter Cousin war. In diesem Land findet man bei näherem Hinsehen in

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