Der Pate von Bombay
ausersehen hat, bei einem so großen Fall mitzuarbeiten?«
Sartaj warf den Kopf zurück und lachte. »Das ist die eine Seite. Große Fälle können kleine Inspektoren aber auch auffressen.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Aber Sie werden mitarbeiten?«
»Ich tue, was man von mir erwartet.«
»Gut. Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht viel mehr sagen kann. Nur soviel: Es geht um die nationale Sicherheit, um eine große Gefahr für die nationale Sicherheit.« Wieder wartete sie darauf, daß er etwas erwiderte. »Verstehen Sie mich?«
Sartaj zuckte die Schultern. »Das alles kommt mir wie in einem Film vor. Das Aufregendste, was ich normalerweise mache, ist, daß ich einen Tapori wegen Erpressung verhafte. Ab und zu geht's auch mal um Mord.«
»Das hier ist ganz und gar real.«
»Okay.«
»Und sehr groß.«
»Ich verstehe.« Sartaj verstand keineswegs, aber wenn es ein großer Fall von der richtigen Sorte war, dann war es vielleicht nicht so schlecht, damit befaßt zu sein. Vielleicht brachten kleine Dienste in einem großen Fall Lob und Anerkennung.
»Wir müssen mehr darüber wissen, was Jojo und Gaitonde miteinander zu tun hatten. Was für Geschäfte sie zusammen gemacht haben.«
»Ja.«
»Sie haben diese Jojo sehr schnell gefunden. Shabash. Aber wir müssen mehr wissen. Konzentrieren Sie die Ermittlungen auf Gaitonde. Nehmen Sie sich seine Partner vor, seine Angestellten, jeden, den Sie finden können. Hören Sie sich an, was sie zu sagen haben.«
»In Ordnung.«
»Die Telefonnummer der Schwester lasse ich auf dem Revier in Colaba überprüfen, und wenn wir sie ausfindig machen, reden Sie mit ihr und versuchen soviel wie möglich über Jojo zu erfahren.«
»Ich soll mit der Schwester reden?«
»Ja.« Anjali Mathur hatte ein gutes Ermittlergesicht, fand Sartaj, neugierig und doch neutral, ein Gesicht, das nichts preisgab. »Gut«, sagte er. »Kann ich ihr sagen, wo ihre Schwester gestorben ist?«
»Ja. Finden Sie heraus, ob sie etwas über Jojos Geschäfte mit Gaitonde weiß. Und berichten Sie mir dann sofort. Nur mir. Wieder unter derselben Telefonnummer.«
Das war alles, was Sartaj an Aufklärung und Instruktionen von Anjali Mathur bekam. Er nahm die Wasserflasche und ein Glas vom Tisch und brachte es Katekar in den Flur hinaus. Katekars Hemd war inzwischen völlig durchgeschwitzt. Die Sommerhitze machte ihm weit weniger zu schaffen als Sartaj, er konnte ohne weiteres meilenweit durch einen Mainachmittag laufen, aber er schwitzte viel stärker. Sartaj führte seine Hitzebeständigkeit auf lebenslange Konditionierung zurück - Katekar war ohne Ventilatoren aufgewachsen und überstand jede Hitzewelle, ohne mit der Wimper zu zucken. Es kam ganz darauf an, was man gewöhnt war. Katekar trank ein Glas Wasser.
»Sind wir hier fertig?« fragte er mit einer Kopfbewegung zu Jojos Wohnung und Anjali Mathur.
»Noch nicht.«
Katekar schwieg.
»Trinken Sie aus.« Sartaj grinste. »Es gibt viel zu tun. Die nationale Sicherheit hängt von uns ab.«
Und noch jemand wollte mit Sartaj über die nationale Sicherheit reden. Er hieß Wasim Zafar Ali Ahmad und wartete vor der Polizeiwache auf ihn. Sein Name prangte in Hindi, Urdu und Englisch auf der Visitenkarte, die er Sartaj überreichte. Darunter stand »Sozialarbeiter«, gefolgt von zwei Telefonnummern.
»Ich war überrascht, Inspektor-saab«, sagte er, »als ich hörte, daß Sie zweimal in Navnagar waren, ohne Kontakt mit mir aufzunehmen. Aber vielleicht haben Sie mich ja nicht angetroffen. Ich bin selten zu Hause, bin beruflich viel unterwegs.«
Sartaj hielt die Karte zwischen den Fingerspitzen, drehte sie um und legte sie weg. »Ich war im Bengali Bura.« Sie saßen einander an Sartajs Schreibtisch gegenüber.
»Das liegt ja mehr oder weniger in Navnagar. Ich habe oft dort zu tun.« Er war um die Dreißig, dieser Ahmad mit dem langen Namen, ein wenig füllig, ein wenig groß und sehr selbstbewußt. Er war Sartaj mit gezückter Visitenkarte ins Büro gefolgt. Er trug ein schwarzes Hemd mit einer schmalen weißen Stickereiborte an den Manschetten und eine makellos weiße Hose, und seine Miene verriet Entschlossenheit.
»Kannten Sie den Jungen, der dort umgebracht wurde?« fragte Sartaj.
»Ja, ich habe ihn ein paarmal gesehen.«
Sartaj wiederum war überzeugt, Ahmad schon einmal gesehen zu haben. Er kam ihm bekannt vor; zweifellos ging er im Revier ein und aus, wie Sozialarbeiter das häufig taten. »Wohnen Sie in Navnagar?«
»Ja, in dem Teil an der
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