Der Pate von Bombay
sind.«
»Das bin ich ja.«
»Was?«
»Glücklich.«
»Man braucht Sie nur anzuschauen, dann weiß man, wie glücklich Sie sind, Sartaj.«
Sartaj spürte jetzt deutlich, wie müde und verschwitzt er war, spürte sein ganzes whiskygeschwängertes Elend. Es ärgerte ihn, daß der Schwung seines Arbeitstages in dieser sinnlosen Diskussion über Glück mit der glücklichen Rehana verpuffte. Ein Klopfen an der Tür ersparte ihm eine weitere Erforschung der Natur des Glücks. »Da kommt das Eis«, sagte er.
Er aß eine Schale Eiscreme und ergriff dann die Flucht.
Ein lautes Summen weckte Sartaj aus einem Traum, in dem er über Meere geflogen war, um fremde Frauen kennenzulernen. Es war eine hochkomplizierte Geschichte mit wachsamen Müttern und dahinrasenden Jeeps, doch kaum schlug er die Augen auf, hatte er sie vergessen. Verwirrt stützte er sich auf. Er wußte nicht, woher das Geräusch kam. Erst dachte er, die Türklingel sei defekt, dann fiel ihm sein Handy ein. Es lag auf dem Nachttisch, doch als er danach griff, fiel es zu Boden, und er mußte es am Kabel des Ladegeräts wieder hochziehen. Dann endlich klappte er es auf.
»Sartaj-saab?«
»Wer ist da?« blaffte Sartaj.
»Bunty, Saab. Ich hab gehört, Sie wollen mich sprechen.«
»Bunty, ja. Gut, daß Sie anrufen.« Sartaj schwang die Füße auf den Boden und versuchte sich zu sammeln, sich auf eine Gesprächsstrategie für Gaitondes Mann zu besinnen. Doch er wußte nicht einmal mehr, ob er sich überhaupt eine zurechtgelegt hatte, und so sagte er: »Ich möchte mich mit Ihnen treffen.«
»Es geht das Gerücht, Sie hätten Bhai erschossen.«
»Ich habe Gaitonde nicht erschossen. Vergessen Sie die Gerüchte. Was glauben Sie selbst, Bunty?«
»Nach meiner Information war er schon tot, als Sie reinkamen.«
»Eine brauchbare Information, Bunty. Es war alles sehr seltsam. Wieso sollte ein Mann wie er sich umbringen?«
»Ist es das, worüber Sie reden wollen?«
»Das und anderes. Ich sag's Ihnen, wenn wir uns sehen.«
»Warum sollte ich Ihnen etwas erzählen?«
»Hören Sie, Bunty, ich möchte einfach nur mit Ihnen reden. Wenn Sie mir helfen, kann ich vielleicht auch Ihnen helfen. Gaitonde ist tot, und Suleiman Isas Leute suchen Sie garantiert. Ein paar von Ihren eigenen Leuten haben sich schon abgesetzt, wie ich höre.«
»Das ist ein Spiel, das ich seit Jahren spiele.«
»Schon, aber jetzt? Allein? Wie weit werden Sie's schaffen?«
»In meinem Rollstuhl, meinen Sie, Saab? Ich bin in dem Ding schneller, als die meisten laufen können.«
Sartaj setzte sich auf, froh über die Gelegenheit, neugierig und freundlich zu sein. »Im Ernst? So einen Rollstuhl habe ich noch nie gesehen.«
»Der kommt aus dem Ausland. Man kann damit auch Treppen rauf- und runterfahren und alles mögliche andere.«
»Erstaunlich. Der muß ja ganz schön teuer gewesen sein.«
»Bhai hat ihn mir geschenkt. Er mochte solche technischen Neuerungen.«
»Dann war er also ein moderner Mensch?«
»Ja, ein sehr moderner. Es ist nur schwierig, das Ding instand zu halten. Hier kann es niemand reparieren, die Ersatzteile müssen aus Vilayat 661 geliefert werden. Es geht zu oft kaputt.«
»Nicht für indische Verhältnisse gebaut.«
»Ja, genau wie diese neuen Autos. Die sehen gut aus, aber letzen Endes bringt einen nur ein Ambassador in das Dorf, in das man will.«
»Wir sollten uns treffen, Bunty. Vielleicht kann ich Sie wohlbehalten in Ihr Dorf bringen.«
»Ich bin hier in Mumbai geboren, Saab. Und Sie sind zu scharf darauf, sich mit mir zu treffen. Wer sagt mir, daß Suleiman Isa Sie nicht darum gebeten hat, mich nach Hause zu schicken.«
»Bunty, fragen Sie, wen Sie wollen: Ich habe keinen Kontakt zu Suleiman Isa oder irgendeinem seiner Männer.«
»Sie sind mit Parulkar befreundet.«
»Schon möglich. Aber so etwas mache ich nicht für ihn, Bunty, und das wissen Sie auch.« Sartaj stand auf und ging um das Fußende des Bettes herum. Er schien ihn zu sehr zu bedrängen, diesen Mann, der in seinem schnellen Rollstuhl den Tod auszumanövrieren suchte. »Also, Sie möchten sich nicht mit mir treffen - kein Problem. Aber denken Sie drüber nach, ja?«
»Ja, Saab. Ich muß vorsichtig sein, im Augenblick erst recht.«
»Ja.«
»Aber ich kann Ihnen telefonisch helfen, Saab. Was möchten Sie wissen?«
Bunty hielt sich seine Optionen Sartaj gegenüber offen, für den Fall, daß er selbst einmal Hilfe brauchte. Sartaj entspannte sich, schüttelte die Schultern und streckte den
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