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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Gemälden und anderen kostbaren Kunstwerken ausgestattet waren, und mit der umfangreichen Sammlung alter philosophischer Schriften und anderer Werke von hohem Rang verriet Montefeltro, dass er auch ein gebildeter Mann war mit einem erlesenen Geschmack.
    Der Herzog war in jeder Hinsicht eine eindrucksvolle Persönlichkeit, auch noch im Alter von Mitte fünfzig. Er war groß und kräftig gebaut und zog überall, wo er auftrat, sofort die Aufmerksamkeit auf sich. Das lag nicht nur an seiner scharf gebogenen Habichtsnase mit dem charakteristischen Höcker, sondern auch an der samtschwarzen Klappe, die er über der leeren Höhle seines rechten Auges trug. Er hatte es bei einem Turnier verloren, das er 1450 zu Ehren seines Verbündeten Francesco Sforza veranstaltet hatte, als dieser gerade die Macht über das Herzogtum Mailand errungen hatte. Seitdem ließ er sich nur noch im linken Seitenprofil porträtieren.
    Als Condottiere hatte er Siege errungen wie kein anderer zu seiner Zeit. Sein Ruf als Söldnerführer, der keine wichtige Schlacht verlor und der seine astronomisch hohe Entlohnung wert war, eilte ihm bei jedem Kriegszug, zu dem er angeheuert wurde, als Schreckensbotschaft voraus. Und oft war es genau dieser Ruf, der es dann gar nicht mehr nötig machte, seine Männer blutige Schlachten schlagen zu lassen.
    Längst hatte er sich die Erkenntnis zu eigen gemacht, dass raffiniert eingesetzte Propaganda in vielen Fällen eine genauso zerstörerische Wirkung haben konnte wie ein tagelanges Bombardement seiner Feldkanonen. Und eine rasch verbreitete Nachricht über einen angeblich errungenen Sieg ersparte es ihm gelegentlich sogar, zu dieser Schlacht überhaupt erst anzutreten. Er hatte als einer der Ersten seines Gewerbes begriffen, dass es fast noch entscheidender war, was die gegnerischen Soldaten über ihn und sein Können wussten, als das, was sie an Bewaffnung und Truppenstärke gegen ihn ins Feld führen konnten.
    Italien war seiner Überzeugung nach ein Land voller Füchse, aber es gab nur einige wenige Löwen, und da ihm Bescheidenheit fremd war, zählte er sich zu den Letzteren. Aber obwohl er das Waffenhandwerk liebte und sich noch immer mit Begeisterung in den nächsten Feldzug stürzte, so hatte er doch längst Höheres im Sinn als nur der gefürchtetste Condottiere seiner Zeit zu sein.
    Ihn dürstete nach wahrer Macht und mit dem Tod von Herzog Galeazzo Sforza hatte ihm das Schicksal endlich eine Möglichkeit eröffnet, zu ebendieser Macht zu gelangen. Cicco Simonettas Herrschaft in Mailand stand auf gefährlich schwankendem Boden. Das schwächte die Allianz, die Mailand mit Venedig und Florenz geschmiedet hatte, beträchtlich. Doch da die militärische Kraft, die Papst Sixtus und König Ferrante von Neapel gemeinsam gegen diese Allianz aufbringen konnten, die Waage nicht eindeutig zu ihren Gunsten ausschlagen ließ, hing nun alles von ihm ab, dem Löwen von Urbino, wie das Ringen um die Vorherrschaft in Italien ausging.
    An diesem drückend heißen Junitag saß Montefeltro in seinem Studiolo und verschlüsselte ein langes Schreiben, das er an den alten Fuchs Cicco Simonetta aufgesetzt hatte. Seit Monaten führte er mit dem Kanzler eine rege Korrespondenz. Es wurmte ihn, dass Simonetta noch immer nicht bereit war, offen die Seite zu wechseln und sich auf das Bündnis mit dem Heiligen Vater, König Ferrante und ihm einzulassen. Zwar hatte der Kanzler ihn schon zweimal um militärischen Beistand gebeten, sich aber geschickt davor gedrückt, ihm die Zusicherung zu geben, damit auch Lorenzo de’ Medici die Treue aufzukündigen. Und ohne eine solch eindeutige Erklärung war er nicht gewillt, sich aus der Deckung zu begeben. Zu groß war sein Respekt vor Lorenzos diplomatischem Geschick und vor seinem durchtriebenen Wesen, das in keinem Verhältnis zu seinem Alter stand.
    Der junge Kerl hatte den Braten schon in den ersten Januartagen gerochen und es nicht an Warnungen fehlen lassen, ihm in Mailand ja nicht ins Gehege zu kommen. Auch hatte er nicht gezögert, die Condottieri, die er im Sold stehen hatte, in Alarmbereitschaft zu versetzen und deren Truppen sogar durch Neuanwerbung von Männern zu verstärken.
    Sosehr er seit einiger Zeit auch gegen seinen Patensohn eingenommen war und ihm lieber heute als morgen den Tod wünschte, so musste er doch widerwillig anerkennen, dass Lorenzo seine Karten geschickt spielte und den knappen Spielraum, der ihm noch geblieben war, raffiniert zu nutzen verstand. Er machte es

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