Der Pate von Florenz
Wandmalereien, der Hauskapelle und all der in den weitläufigen Gängen, Empfangssälen und Gemächern zur Schau gestellten Kostbarkeiten betrachtete, konnte man verstehen, warum bisher noch jeder prunkverwöhnte Prinz und König beim Anblick all dieser Größe und Pracht in bewunderndes, manchmal sogar fassungsloses Staunen verfallen war.
Kein Wunder, wenn man bedachte, wie viele Goldflorin in diesem Palazzo steckten, überlegte Sandro Fontana, während er darauf wartete, dass ein Hausdiener auf sein Klopfen hin eine in einen Flügel des massiven Messingtors eingelassene Manntür öffnete und ihn hereinließ. Für rund tausend bis zweitausend Florin konnte man sich einen hübschen Palazzo errichten lassen, so wie er selbst es in der Via di Mezzo getan hatte. Cosimo dagegen hatte mindestens dreißigtausend Goldstücke bezahlt, vielleicht sogar vierzigtausend. Unvorstellbar!
Aber es war gut angelegtes Geld gewesen. Denn schon zu Cosimos Zeiten war der Palazzo in der Via Larga zum wahren Machtzentrum von Florenz geworden. Die Mächtigen in Mailand, Rom, Neapel und Venedig und auch die aus anderen Ländern schickten ihre Depeschen schon längst nicht mehr an die Regierung im Palazzo Vecchio, sondern gleich an das Oberhaupt der Medici.
Sandro traf Lorenzo in seinem Arbeitszimmer an, das dem Medici auch als Bibliothek für seine kostbare Sammlung antiker Schriften diente. Er unterhielt sich gerade mit Agnolo della Stufa und Francesco Nori. Beide Männer gehörten zum innersten Kreis von Lorenzos Vertrauten. Sie standen zusammen mit Giuliano vor dem großen Fenster, während Lorenzo etwas abseits in einem gepolsterten Lehnstuhl saß. Seine Miene war verschlossen.
Die drei Männer nickten Sandro zu und fuhren in ihrer Unterredung fort.
»Wie gesagt, die Folgen, die der Mord für ganz Italien hat, sind noch gar nicht zu überblicken«, sagte Agnolo della Stufa, ein gedrungen aussehender Mann mit schlohweißem Haar. Er war der Vater von Lorenzos Freund Gismondo. »Der Frieden in unserem Land stand schon vor der Ermordung des Herzogs auf recht schwankendem Grund.«
»Ja, seit Sixtus, der unselige König der Vetternwirtschaft, auf dem Heiligen Stuhl sitzt, strebt er gierig nach immer größerer Macht«, pflichtete Francesco Nori ihm grimmig bei. Mit seiner hageren Gestalt und dem schmalen, scharf geschnittenen Gesicht sah er aus wie ein asketischer Gelehrter. Er leitete seit vielen Jahren die tavola, die örtliche Wechselbank der Medici am Mercato Nuovo. »Es reicht ihm nicht, dass er das Oberhaupt der Kirche ist, er will auch als weltlicher Herrscher das Territorium seines Kirchenstaates vergrößern, und zwar mit Vorliebe auf Kosten unseres florentinischen Staatsgebietes.«
»Aber das werden wir zu verhindern wissen«, knurrte Agnolo della Stufa. »Die Lage mag kritisch sein, aber noch sind wir gottlob weit von einer Katastrophe entfernt.«
»Die aber rasch eintreten kann, wenn Cicco Simonetta die Kontrolle über das Herzogtum aus den Händen gleitet«, mischte sich Sandro ein. »Der lang gediente Kanzler der Sforza mag zwar ein raffinierter Fuchs und zweifellos einer der erfahrensten Politiker im Land sein, aber es fragt sich, ob er in der Lage ist, das Herzogtum über die Jahre zu retten, bis Galeazzos Sohn alt genug ist, um die Nachfolge seines Vaters anzutreten. Die beiden verbannten Brüder des Herzogs werden sich wohl kaum die günstige Gelegenheit entgehen lassen und nun ihrerseits nach der Macht greifen. Sforza Maria und Ludovico werden in der Wahl ihrer Mittel und Wege nicht gerade zimperlich sein.«
Lorenzo nickte. »Das befürchte ich auch.«
»Deshalb müssen wir alles tun, was in unserer Macht steht, um die Stellung des Kanzlers zu stützen«, sagte Agnolo della Stufa.
»Fragt sich nur, ob dem alten Geheimniskrämer zu trauen ist«, kam es trocken von Giuliano. »In dem Schreiben, das er uns geschickt hat, klang seine Versicherung, in Treue zu Florenz zu stehen, sehr überzeugend. Aber Cicco ist wie eine Spinne, die ihre Fäden in alle Richtungen spinnt. Und dann wartet sie, wer sich in ihrem Netz verfängt und zur leichten Beute wird.«
Lorenzo sah zu seinem Bruder hinüber und nickte ihm zu. »Eine sehr kluge und leider sehr beunruhigende Einschätzung.«
Sandro fiel sofort der wohlwollende Ton in Lorenzos Stimme auf. Nach der Verstimmung, die er am gestrigen Abend zwischen den beiden gespürt hatte, kam es ihm so vor, als wollte Lorenzo bei seinem Bruder irgendetwas wiedergutmachen. Nur zu gerne
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