Der Pate von Florenz
hätte er gewusst, weshalb die beiden sich auf Cafaggiolo in die Haare geraten waren.
»Denn wie ich heute von einem unserer Männer in Mailand erfahren habe, hat Cicco nicht nur uns, sondern auch dem Herzog von Urbino eine Depesche geschickt und ihn um militärischen Beistand gebeten«, fuhr Lorenzo fort. »Dass Montefeltro zum militärischen Beschützer von Cicco Simonetta wird und damit in Mailand eine gewichtige Rolle spielt, das darf unter keinen Umständen geschehen!«
»Ihr sagt es, Magnifizenz! Das darf auf keinen Fall geschehen!«, pflichtete Francesco Nori ihm bei. »Dem Herzog von Urbino ist noch weniger über den Weg zu trauen als Cicco Simonetta!«
Lorenzo verzog grimmig das Gesicht. »Wem sagt Ihr das, Francesco! Ich weiß nur zu gut, was von meinem Paten zu halten ist, seit man ihn, diesen einäugigen Schlagetot, zum Herzog ernannt und ihn damit fest im Griff hat.«
Federico da Montefeltro war Herr über das kleine und unbedeutende Herzogtum Urbino, das östlich von Florenz lag, in der Region Marken. In dem immerwährenden Machtspiel wechselnder Allianzen um die Vorherrschaft in Italien, das seit Generationen von den fünf großen Mächten Venedig, Mailand, Florenz, Neapel und dem Kirchenstaat ausgetragen wurde, hatte der Herr über Urbino nie eine nennenswerte Rolle gespielt. Aber seit Federico da Montefeltro dort das Sagen hatte, war das anders geworden. Er gehörte zu den wichtigen Figuren in dem Ränkespiel, die man stets im Auge behalten musste, galt er doch als fähigster Condottiere seiner Zeit. Noch nie hatte er eine entscheidende Schlacht verloren. Und das schlagkräftige Heer, das er sogar zwischen den Kriegszügen im Sold stehen hatte, machte ihn trotz seines unbedeutenden Territoriums zu einer militärischen Macht, die man in keiner politischen Gleichung außer Acht lassen durfte. Söldnerführer wie er waren bekanntlich käuflich, und das galt nicht einmal als ehrenrührig. Lange Zeit hatte er im Dienst von Florenz gestanden und als Freund der Medici gegolten, weshalb Piero de’ Medici ihm die Patenschaft für seinen Sohn Lorenzo angetragen hatte. Aber seit Sixtus IV. auf dem Stuhl Petri saß und Montefeltro für sich gewonnen hatte, war dessen Verhältnis zum Haus Medici eisig geworden.
»Montefeltro wird nichts lieber tun, als mir in den Rücken zu fallen«, prophezeite Lorenzo, der immer auch Florenz meinte, wenn er von wir sprach. Denn schon seit Cosimos Lebzeiten hatte sich bei ihnen die Überzeugung festgesetzt, dass das, was für das Haus Medici gut war, auch Florenz zum Vorteil gereichte. »Und deshalb werde ich noch heute eine Depesche sowohl an den Herzog von Urbino als auch an den Kanzler in Mailand abschicken. Cicco Simonetta werde ich warnen, dass er sich hüten soll, sich die waffenstarrende Zecke aus Urbino in den Pelz zu setzen …«
»Dabei solltet Ihr den Kanzler mit möglichst deutlichen Worten daran erinnern, dass die Schulden, die der Herzog bis zu seinem Tod bei Eurer Bank angehäuft hat, mittlerweile fast hundertachtzigtausend Florin betragen und dass Mailand allein schon deshalb seinen Vertrag mit Florenz einhalten sollte«, warf Sandro rasch ein.
Lorenzo bedachte ihn mit einem ungehaltenen, fast gereizten Blick. »Gewiss, auch daran wird zu denken sein«, sagte er jedoch mit der Geschmeidigkeit des erfahrenen Diplomaten. »Aber Montefeltro eine deutliche Warnung zukommen zu lassen, sich nicht in unsere Allianz mit Mailand einzumischen, erscheint mir von noch größerer Wichtigkeit und Dringlichkeit.«
Giuliano trat zu ihm. »Worauf der Hundsfott natürlich auf überaus freundliche Weise antworten wird, dass ihm nichts ferner liegt, als seinem verehrten Patenkind, das ihm doch ans Herz gewachsen ist wie ein leiblicher Sohn, ins Handwerk zu pfuschen«, sagte er sarkastisch, »während er in Wirklichkeit schon heimlich die Klingen wetzt! Denk doch nur an den Affront, den er sich vor zwei Jahren mit den Turnierpferden erlaubt hat! Ein Schlag ins Gesicht war das! Er hätte uns ebenso gut den Fehdehandschuh hinwerfen können!«
Lorenzo hatte vor dem großartigen Turnier, das am 29. Januar 1475 zu Ehren seines Bruders in Florenz stattgefunden hatte, seinen Paten um einige exzellente Turnierpferde aus seinen Stallungen gebeten. Es war guter Brauch, dass selbst Herrscher, mit denen man nicht in bestem Einvernehmen lebte, aus Höflichkeit Pferde, Knappen, Trompeter, Schwertkämpfer und andere festlich ausstaffierte Gäste und Teilnehmer zu solch spektakulären
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