Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
aller Öffentlichkeit breittrat.
    Silvio ließ sich nicht beirren. Seine Miene blieb heiter, als er leichthin antwortete: »Tja, lieber Bruder, die Wege des Lebens sind wahrlich wundersam und manchmal greift man schneller in die Scheiße, als man Amen sagen kann. Aber selbst solche Nackenschläge haben ihre guten Seiten. Ich bin jedenfalls froh, dass ich wieder in Florenz bin. Hier tanzt das Leben nach einem ganz anderen Takt.«
    »Na, ob dir auch der Tanz gefällt, den Vater nachher mit dir aufführt, das wage ich zu bezweifeln«, sagte Alessio spitz.
    Marcello versetzte seinem Bruder einen Stoß in die Seite, damit er endlich aufhörte, Silvio zuzusetzen. Das gehörte sich einfach nicht.
    Silvio zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Immer nur im weichen Federbett zu liegen und an der Honigstange zu lutschen ist auf die Dauer öde«, flachste er und zwinkerte Riccardo und Paolo zu. »Als gestandener Mann muss man auch Stürme gelassen durchstehen können …«
    Die laute Stimme von Gonzo Spinelli, dem Leiter der Bottega, unterbrach ihn. Der harsche Ruf des Ersten Faktors dröhnte vom Fuß der Treppe zu ihnen herauf: »Riccardo! Paolo! Macht endlich, dass ihr hier unten wieder an eure Arbeit kommt! Und zwar ein bisschen flott! Und ihr, Alessio und Marcello, seht gefälligst zu, dass die neuen Tuchballen sauber beschriftet in die Regale kommen! Wir erwarten nachher einen Kunden aus Lyon und ich will, dass da oben alles seine Ordnung hat!«
    Wie von der Tarantel gestochen, sprangen die Lehrlinge auf, warfen sich erschrockene Blicke zu und eilten hinunter ins Erdgeschoss zu den Wollschlägern und Kämmern, um dort Kammgarn von Streichgarn zu trennen und es auf Rocken zu wickeln.
    Silvio lachte. »Ich sehe, hier hat sich nichts geändert. Der alte Gonzo blafft noch wie eh und je und tut so, als stünde er nicht bei uns in Lohn und Brot, sondern als hätte er hier etwas zu sagen. Na ja, lange wird er es wohl nicht mehr machen.«
    »Gonzo steht nicht bei uns in Lohn und Brot, sondern bei meinem und Marcellos Vater«, verbesserte ihn Alessio. »Und solange …«
    »Er ist auch mein Vater, Alessio«, hielt Silvio ihm sofort entgegen. »Wenn auch nicht mein leiblicher.«
    »… Gonzo Spinelli hier das Sagen hat, haben wir genauso zu gehorchen wie die Garzoni«, fuhr Alessio unbeirrt fort. »Dafür hat Vater ja gesorgt. So, und jetzt red nicht länger um den heißen Brei herum, sondern rück endlich raus mit der Sprache. Also, was hast du in Pisa verbrochen?«
    Silvio bedachte ihn mit einem spöttischen Blick. »Tut mir leid, Alessio, aber du wirst dich noch etwas gedulden müssen. Wenn unser aller Gebieter, der Consigliere, es bisher nicht für nötig befunden hat, euch darüber in Kenntnis zu setzen, dann wird er dafür bestimmt seine Gründe haben. Und deshalb werde ich die dumme Sache auch erst einmal mit ihm bereden, bevor ihr an der Reihe seid. Erzählt ihr mir lieber, was sich hier bei uns in den letzten Monaten ereignet hat. Verbringt der Alte immer noch so viel Zeit damit, den Landmann zu spielen? Leidet er immer noch unter der malattia del calcinaccio, der Mörtelkrankheit?«
    »Und wie! Die Mörtelkrankheit hat ihn mehr denn je in ihren Klauen! Wann immer er Zeit findet, reitet er hinaus nach Finochieta, greift zu Hacke oder Mörtelkelle und schuftet Seite an Seite mit Vettorio und Pagolo, um den Hang mit Mauern abzustützen«, berichtete Marcello lachend.
    Alessio nickte. Er hatte es aufgeben, Silvio die Pisa-Geschichte zu entlocken. »Weiß der liebe Himmel, warum er so viel Spaß daran findet, sich da draußen den Rücken krumm zu schuften und die Arbeit von Contadini zu verrichten. Das Geld hätte er besser in ein Geschäft investiert, das auch wirklich etwas abwirft. Das bisschen Weizen, Öl und die wenigen Feldfrüchte werden jedenfalls nicht ausreichen, um unsere Vorratskeller zu füllen.«
    Ihr Vater hatte im vergangenen Sommer ein kleines Landgut gekauft und ihm den Namen Finochieta gegeben. Er hatte einen krummbeinigen und zahnlosen alten Bauern namens Vettorio Latini und dessen stummen Sohn Pagolo angestellt, die auf dem Gehöft lebten und es in Halbpacht für ihn betrieben. Es lag eine knappe Reitstunde vor der Stadt in der Nähe des Dorfes San Columbano. Mit seinen knapp achtzig staiora 1 war es ein vergleichsweise bescheidenes Gut, zumal wenn man es mit den Landgütern der Medici und der anderen Reichen der Stadt verglich. Die von allen bespöttelte Mörtelkrankheit war weit verbreitet unter den

Weitere Kostenlose Bücher