Der Pate von Florenz
das Zittern seiner Hände für eine Weile zu unterdrücken, so machte es ihn stets auch schläfrig. »Ach Kind, ich wünschte, ich hätte es gar nicht erst so weit kommen lassen. Warum nur habe ich mich darauf eingelassen, dich in der Goldschmiedekunst zu unterrichten und dir diese entsetzliche Bürde auf die Schultern zu legen, statt dir rasch einen guten Mann zu suchen und mich in mein Schicksal zu fügen …«
»Weil es die einzige Möglichkeit für Euch war, Eure Werkstatt weiterzuführen, als Euch kurz nach dem Tod der Mutter diese Zitterkrankheit befiel«, erwiderte sie. »Ihr wisst doch nur zu gut, dass es schon als kleines Kind mein größter Wunsch gewesen ist, so wie Ihr solch wunderbare Schmuckstücke anzufertigen. Es war richtig, dass Ihr damals Euren Lehrling Maffeo entlassen habt, bevor er merken konnte, dass Ihr erkrankt wart, und mich an seiner Stelle in allem unterrichtet habt!«
»Aber ich hätte es nicht tun dürfen, Fiora! Denn du bist nun mal ein Mädchen …«
»In meinem Alter ist man schon längst eine junge Frau«, verbesserte sie ihn.
»… und es ist nun einmal verboten, jemanden wie dich in der Goldschmiedekunst auszubilden. Du kennst doch die Gesetze unserer Gilde und wie streng darauf geachtet wird, dass sie eingehalten werden! Frauen ist es verboten, diesem Gewerbe nachzugehen! Nie wirst du dort Aufnahme finden!«, stieß er gequält hervor. »Und wenn herauskommt, dass ich dich nicht nur alles gelehrt habe, sondern dich seit einiger Zeit sogar fast alle Arbeiten in der Werkstatt ausführen lasse, dann kommt großes Unheil über uns beide! Dann wird man mich nicht nur in den Kerker werfen, weil ich gegen die Gesetze verstoßen habe, man wird mir wegen Betruges an meinen Kunden die rechte Hand abhacken! Und dir auch! Wenn uns nicht sogar noch Schlimmeres droht!«
Fiora setzte sich zu ihm und griff nach seiner Hand. »Macht Euch nicht unnötig das Herz schwer, Vater. Das wird nicht geschehen. Wir haben schon so oft darüber geredet, wie wir es schaffen können, wenn wir uns nur immer an unsere Vorsichtsmaßnahmen halten. Wer sollte denn auch hinter unser Geheimnis kommen, wo wir doch so vorsichtig sind?«, redete sie ihm beruhigend zu. »Hatten wir denn eine Wahl? Was wäre denn aus Euch geworden, wenn Ihr Eure Werkstatt aufgegeben hättet? Habt Ihr mir nicht oft genug gesagt, dass Ihr niemals unter dem Dach Eures Schwiegersohnes leben wollt, der bei der Mitgift für Costanza um jeden Florin mit Euch gefeilscht und Euch regelrecht erpresst hat? Einen herzlosen, kalten Fisch habt Ihr ihn genannt.«
»Und das ist er auch! Gott allein weiß, warum Costanza so versessen darauf war, seine Frau zu werden«, murmelte er. »Aus seiner Hand nehme ich kein Armenbrot entgegen!«
»Und dass Ihr ins Heim der Barmherzigen Schwestern geht, lasse ich nicht zu!«
Bedrückt sah ihr Vater zu Boden.
»Legt Euch hin und schlaft ein wenig«, sagte Fiora und drückte ihn sanft auf das Kissen.
»Wir müssen noch über den Taufbecher sprechen«, sagte er, aber seine Stimme klang schon schläfrig. »Du bist im Treiben schon sehr gut geworden, aber diese vier Evangelisten …«
»… haben noch ein wenig Zeit«, fiel sie ihm sanft, aber bestimmt ins Wort. »Und Ihr werdet bestimmt ein waches Auge darauf haben, wenn ich mit dem Treiben beginne. Aber zuerst einmal muss ich die kleine Brosche fertigstellen, die Marcello Fontana in Auftrag gegeben hat. Wir brauchen dringend das Geld, damit ich unseren Vorrat an Bruchsilber auffüllen kann.«
»Ach Kind, was habe ich dir nur angetan!« Ihr Vater seufzte noch einmal, dann fielen ihm die Augen zu.
»Ihr habt meinen schönsten Traum Wirklichkeit werden lassen und mir damit das wunderbarste Geschenk der Welt gemacht, Vater«, flüsterte sie und streichelte liebevoll seine faltigen Hände. »Keine Tochter kann sich mehr von ihrem Vater wünschen als ich. Ich danke Euch für alles, was Ihr mir gegeben habt.«
Als seine ruhigen Atemzüge ihr verrieten, dass er eingeschlafen war, erhob sie sich und machte sich daran, in der Feuerstelle für die nötige Glut zu sorgen. Arbeit war das beste Mittel, um sich von düsteren Gedanken abzulenken. Doch sie konnte nicht verhindern, dass sich an diesem Vormittag immer wieder ein schreckliches Bild vor ihre Augen drängte: Es zeigte eine abgehackte Hand und einen blutigen Armstumpf.
5
D ie Wollbottega der Familie Fontana lag in Santa Croce, auf der Südseite einer kleinen Piazza. Von dort aus war es nur einen kräftigen
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