Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
Vom Netzwerk:
vermögenden Familien der Stadt. Es war der Traum eines jeden Florentiners, der es zu etwas gebracht hatte, draußen im Contado ein Landgut zu besitzen.
    »Lassen wir ihm doch seinen Spaß«, sagte Silvio. »Und solange er uns nicht allzu oft dazu verdonnert, mit ihm im Dreck zu wühlen, kann es uns doch …«
    »Vater kommt!«, fiel Marcello ihm ins Wort und deutete zu einem der Bogenfenster hinüber, durch die man einen guten Blick auf die Piazza hatte. Mit wehendem schwarzem Umhang und finsterem Gesicht strebte ihr Vater mit dem ihm eigenen forschen Schritt der Bottega zu. »Wir sollten schnellstens an die Arbeit gehen!«
    Alessio warf einen kurzen Blick auf ihren Vater und grinste. »Silvio, das sieht nicht gut aus für dich! So finster, wie er heute dreinschaut, kann er sogar frische Milch sauer werden lassen!«
    »Ich bin ja nicht blind«, brummte Silvio und stieg schnell von den Damastballen herunter. Die Unbekümmertheit, die er eben noch zur Schau gestellt hatte, war schlagartig aus seiner Stimme und aus seinem Gesicht gewichen.
    Während der Vater mit polternden Stiefelschritten die Treppe heraufkam, schoben Marcello und Alessio einen Tuchballen in ein Regalfach.
    »Alessio! Marcello! Geht nach unten!«, rief er seinen Söhnen schroff zu. »Und sorgt dafür, dass wir hier oben nicht gestört werden. Ich habe mit Silvio zu reden.«
    »Ja, Vater«, sagte Alessio und warf Silvio noch einen vielsagenden Blick zu, bevor er und sein Bruder sich beeilten, die Treppe hinunterzusteigen.
    Die beiden Bretterflügel der Bodenluke fielen krachend über ihren Köpfen zu, noch bevor sie die unterste Stufe erreicht hatten.
    »Das war nicht nett von dir, Silvio so zuzusetzen«, sagte Marcello leise zu seinem Bruder. »Schon gar nicht vor Paolo und Riccardo. Du weißt doch, dass sie den Mund nicht halten können und alles herumtragen!«
    »Und wennschon!«, erwiderte Alessio. »Warum spielt er sich auch immer so auf und tut so, als ob er die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte und unser älterer Bruder wäre, der uns was zu sagen hat! Mein Gott, er ist unser Neffe, den Vater großherzig bei sich aufgenommen hat! Allerhöchste Zeit, dass er mal so richtig zusammengestaucht wird!«
    Marcello schüttelte nur den Kopf. Vom Dachboden drang die harsche Stimme des Vaters zu ihnen herunter. Er verstand manchmal nicht, warum sein Bruder in letzter Zeit Silvio gegenüber oft so bissig und missgünstig war. Natürlich war er ihr Neffe, aber aufgewachsen waren sie doch wie Brüder.
    Unschlüssig standen sie im geräumigen Vorraum der Bottega. Zur Rechten ging es in die drei Kontore, in denen die vielfältige Schreibarbeit erledigt wurde. Zur Linken fiel der Blick durch einen hohen Durchgang in einen lang gestreckten hellen Raum, in dem fast zwei Dutzend Männer und Frauen auf blank gescheuerten Dielen saßen und Wollvliese kämmten. Es waren die cardatori, die Krempler und Wollkämmer, die in dem langen Prozess von der Rohwolle bis hin zum fertigen Tuch die ersten Arbeitsgänge erledigten. An der Wand neben dem Durchgang hing unter zwei sich kreuzenden Hellebarden 2 ein hölzerner Schmuckschild, der das Wappen der Fontana zeigte: zwei gekreuzte Schwerter über sechs roten Kugeln auf goldenem Grund. Cosimo de’ Medici persönlich hatte ihrem Vater dieses Familienwappen verliehen.
    Voller Neugier horchte Alessio nach oben. »Kannst du hören, was Vater sagt?«, raunte er.
    »Nein, aber er ist verdammt wütend.«
    Alessio blickte sich suchend nach Gonzo Spinelli um. Aber der war nirgends zu sehen. Vermutlich saß er in seinem Kontor. »Komm, lass uns bis unter die Luke steigen, damit wir mithören können. Ich möchte endlich wissen, was Silvio in Pisa ausgefressen hat.« Ohne die Zustimmung seines Bruders abzuwarten, stieg er die Treppe leise wieder hinauf bis unter die Bodentür.
    Marcello zögerte kurz, folgte seinem Bruder dann aber doch. Denn auch er brannte darauf, die Wahrheit zu erfahren. Und so kauerten sie Augenblicke später unter der Luke und lauschten dem wütenden Wortschwall ihres Vaters.
    »… musst wirklich von Sinnen gewesen sein! Wie konntest du nur solch eine bodenlose Dummheit begehen und dem Ruf unserer Familie einen derart großen Schaden zufügen? Wenn du dich schon nicht beherrschen kannst, hättest du dich wenigstens in einem dieser Häuser austoben können, wo man für das schnelle Vergnügen bezahlt! Meinetwegen hättest du dir auch ein leichtlebiges Schankmädchen oder eine willige Hausmagd nehmen können!

Weitere Kostenlose Bücher