Der Pate von Florenz
Frau neigte zu Melancholie, führte selbst im eigenen Haus ein sehr zurückgezogenes Leben und konnte mitunter eine unangenehm zänkische Art an den Tag legen, besonders wenn es darum ging, ihrer weitläufigen Verwandtschaft auf Kosten der Medici hohe Positionen zu verschaffen oder sonstige Wohltaten zuzuschanzen. Außerdem zeigte Clarice auch nach acht Jahren weder das Talent noch den guten Willen, sich der eleganten und lebensfrohen Lebensart der Florentiner anzupassen. Sie trug noch immer eine stolze und spröde Unnahbarkeit zur Schau, die vielleicht in römischen Adelskreisen zum guten Ton gehörte und dort angebracht sein mochte, in Florenz aber nicht gut ankam. Auch wenn sie es nie offen aussprach und das auch nie zu tun wagen würde, so spürte man doch, dass sie sich ob ihrer adligen Herkunft für etwas Besseres hielt als die Florentiner Kaufmannschaft, mochte diese auch noch so reich sein.
Aber er wollte sich nicht beklagen. Sie hatte die enorme Mitgift von sechstausend Florin mit in die Ehe gebracht, sich damals seiner Mutter Lucrezia und seiner verwitweten Großmutter Contessina, in deren fester und gestrenger Hand noch immer das Regiment über den Haushalt lag, willig unterworfen und sich in die untergeordnete Rolle geschickt, die ihr als Schwiegertochter und Ehefrau zukam.
Die Ehe war nun mal ein Zweckbündnis und Clarice hatte zumindest die wichtigste der in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, indem sie ihm mit dem inzwischen sechsjährigen Piero und dem zweijährigen Giovanni zwei gesunde Stammhalter geschenkt hatte. Und durch die beiden Töchter Lucrezia und Maddalena, die sie zur Welt gebracht hatte, würden die Medici eines Tages durch ein kluges Parentado die Verbindungen zu anderen einflussreichen Familien gezielt ausweiten. So gesehen, hatte er allen Grund, mit seiner Ehefrau zufrieden zu sein. Zumal alles, was die sinnlichen Freuden in den Armen einer Frau anging, von jeher außerhalb der ehelichen Gemächer geschah.
»Schon gut, ich werde mich der Sache annehmen und sehen, was ich tun kann«, versicherte Lorenzo, nachdem er sich geduldig angehört hatte, was er diesmal wieder zugunsten ihrer Verwandten tun sollte. Dann wechselte er rasch das Thema, damit sie nicht auf den Gedanken kam, ihm weitere Wünsche nach irgendwelchen Gunstbezeugungen anzutragen, und fragte sie nach Giuliano. »Wisst Ihr, ob mein Bruder noch hier ist? Ich habe etwas Wichtiges mit ihm zu bereden, bevor er wieder mal für länger das Haus verlässt.«
Er musste unbedingt die Verstimmung zwischen ihnen aus der Welt schaffen. Seine Zurechtweisung nach dem gestrigen Rennen auf Cafaggiolo stand wie eine dunkle Wand zwischen ihnen. Das betrübte ihn, denn er liebte Giuliano, auch wenn dessen Unvernunft ihn manchmal ärgerte und ihn zwang, dem Bruder den Kopf zurechtzurücken. Er wollte, dass sie sich nicht mehr gram waren, und das war für ihn noch wichtiger, als sich den vielen anderen Schreiben zu widmen, die in seinem Arbeitszimmer darauf warteten, dass sie erledigt wurden. Außerdem musste er mit seinem Bruder über etwas Wichtiges sprechen und da war es notwendig, dass es ihm gelang, vorher den unseligen Streit zwischen ihnen zu beenden.
»Ihr werdet ihn vermutlich in unserer Kapelle finden«, antwortete Clarice mit der ihr eigenen leisen Stimme, die stets etwas Wehleidiges an sich hatte. »Jedenfalls habe ich ihn vor wenigen Augenblicken dort gesehen. Ich wollte den Psalter beten, habe mich aber gleich wieder zurückgezogen, weil ich ihn nicht stören wollte in seiner Andacht.«
»Ich danke Euch und wünsche Euch noch einen guten Tag, Clarice«, sagte Lorenzo, nickte ihr zu und begab sich zur hauseigenen Kapelle, die sich im ersten Obergeschoss am Ende des großen Flures befand. Dank eines päpstlichen Privilegs besaß seine Familie einen eigenen geweihten Hausaltar. Ein Priester von San Lorenzo las dort jeden Tag die heilige Messe und sie konnten den Leib Christi empfangen.
Dass sein Bruder in stiller Andacht versunken war, glaubte Lorenzo seiner Frau jedoch nicht. Bei aller tiefen Gläubigkeit, die ihnen allen gemeinsam war, wenn auch nicht in der reichlich frömmelnden Art, wie Clarice sie zur Schau stellte, sah es Giuliano ganz und gar nicht ähnlich, dass er sich in seinem Verdruss in fromme Gebete vertiefte. Vielmehr nahm Lorenzo an, dass sein Bruder den stillen Ort im Palazzo gewählt hatte, um sich dort ungestört seinem Groll gegen ihn hinzugeben.
Als Lorenzo die fensterlose Kapelle betrat, in der es noch
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