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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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ganz anderes. »Sagt mal, kann mir einer von euch verraten, was er mit dem Ziegelbrennen gemeint hat?«, fragte er verstört.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Marcello kopfschüttelnd. »Aber wir werden bestimmt bald erfahren, was er sich als Strafe für dich ausgedacht hat.«
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    1 1 staioro entsprach einer Fläche von ca. 520 m 2
    2 Spieße mit einer Lanzenspitze und u. a. einer darunter angebrachten beilartigen Schneide

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    K onzentriert arbeitete Lorenzo de’ Medici an dem Schreiben, das an den Herzog von Urbino gerichtet war und das deshalb mit größter diplomatischer Raffinesse abgefasst sein musste. Einerseits durfte er Federico da Montefeltro nicht vor den Kopf stoßen. Das würde ihn in seiner hinterhältigen Politik gegen das Haus Medici nur bestärken. Andererseits sollte der Herzog aus seinem Brief unmissverständlich herauslesen, dass er, Lorenzo, nicht tatenlos zusehen würde, wenn Montefeltro seine Söldnertruppe gen Mailand in Marsch setzte. Er sollte nicht vergessen, dass mit Venedig noch immer ein mächtiger Verbündeter an seiner Seite stand und dass er zudem eigene Condottieri im Sold stehen hatte!
    Aber Lorenzo de’ Medici war geübt im Abfassen von derartigen Schreiben, die einem nicht eingeweihten Leser den trügerischen Eindruck von herzlicher Zuneigung und freundschaftlicher Sorge vermitteln mussten, während sie in Wirklichkeit voller Drohungen und gefährlicher Spitzen steckten. Das Gift, das er mit der Feder versprühte, lag nur unter einer dünnen zuckrigen Oberfläche verborgen.
    Eine der beliebtesten Formulierungen, mit denen man seine Briefe an verhasste Widersacher spickte und die nun auch Lorenzo in sein Schreiben einarbeitete, war die wortreiche Beteuerung, dass man einander so tief verbunden war wie Vater und Sohn. Natürlich fehlte auch nicht der doppelbödige Hinweis, dass er ihm für seine beständige und hingebungsvolle Patenschaft danke und von Herzen hoffe, sie ihm einst gebührend vergelten zu können.
    Zufrieden setzte Lorenzo seine Unterschrift unter das Schreiben. Dann faltete er den Bogen dreifach in jeder Richtung, wie es Landessitte war, und verschloss ihn mit einer dünnen Kordel, die er durch Löcher am Briefrand zog. Anschließend versiegelte er ihn und versah ihn auf der Seite, auf die er die Adresse schrieb, zusätzlich mit seiner Siegelmarke. Unten im Hof warteten schon die hauseigenen fanti proprii, die jedes größere Handelshaus in seinen Diensten hatte, mit gesattelten Pferden. Die Kuriere würden sich noch am selben Morgen mit seinen Schreiben, gut verpackt in ihrer am Gürtel befestigten Ledertasche, der scarsella, auf die Reise nach Mailand, Urbino und Venedig machen.
    Gerade hatte er sein Studiolo verlassen und auf dem Gang einem Hausdiener den Brief übergeben, damit er ihn einem der Kurierreiter brachte, als seine Frau Clarice mit dem würdevollen Gang und der auserlesen edlen Garderobe einer Fürstin auf ihn zukam. Lorenzo wollte sich noch rechtzeitig wieder in sein Studiolo zurückzuziehen, aber es war schon zu spät. Und wie er befürchtet hatte, nahm sie auch sogleich die günstige Gelegenheit wahr, um ihm wieder einmal mit einer Gefälligkeit im Ohr zu liegen, die er einem ihrer Verwandten erweisen sollte. Und es waren stets Gefälligkeiten, die ihn viel Geld kosteten.
    Clarice entstammt dem weitverzweigten Geschlecht der Orsini, die zum ältesten und vornehmsten römischen Adel zählten. Aus den Reihen der Orsini war eine Vielzahl von Kardinälen, Bischöfen und anderen höchst einflussreichen Persönlichkeiten hervorgegangen. Sie konnten sich sogar eines Papstes rühmen. Nikolaus III. hatte im 13. Jahrhundert auf dem Heiligen Stuhl gesessen. Zudem gehörten ihnen gewaltige Ländereien sowie mehrere Kastelle im Umkreis von Rom. Auch konnten sie bei Bedarf aus eigener Kraft eine stattliche Streitmacht auf die Füße stellen. All das hatte eine Verschwägerung der Medici mit den Orsini so wertvoll gemacht und seine Eltern veranlasst, Clarice Orsini als Braut für ihn auszuwählen. Vielen mächtigen Familien in Florenz hatte das jedoch nicht gefallen. Sie hätten es lieber gesehen, wenn sein Vater Piero eine Tochter aus ihren eigenen Reihen für ihn bestimmt hätte, nicht eine Römerin, mochte ihre Familie auch noch so einflussreich sein.
    Manchmal wünschte auch Lorenzo, dass seine Eltern eine andere Wahl getroffen und ihn besser mit der Tochter aus einer vornehmen Florentiner Familie verheiratet hätten. Seine mittlerweile vierundzwanzigjährige

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