Der Pate von Florenz
Wort heraus. Der Kleidersack glitt ihm aus den kraftlosen Händen.
Marcello legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. Er hatte es richtig gefunden, dass sein Vater sich entschieden hatte, Silvio hart zu bestrafen. Sein Neffe hatte wirklich einen ordentlichen Dämpfer verdient.
Aber jetzt hatte er Mitleid mit ihm.
9
F iora hatte die Tür zum Laden noch nicht ganz hinter sich geschlossen, da hörte sie auch schon oben aus der Wohnstube die kräftige Stimme ihrer Tante Piccarda. Sie hatte ganz vergessen, dass Piccarda heute ihren freien halben Tag hatte, an dem sie immer auf einen Besuch bei ihnen vorbeischaute. Die zwei Jahre jüngere Schwester ihres Vaters war die einzige Verwandte, die er noch in der Stadt hatte. Und sie besaß als Einzige einen eigenen Schlüssel für die Haustür.
»… kannst du nicht auf die lange Bank schieben, Emilio! Sie ist doch immerhin schon sechzehn!«
Fiora verzog das Gesicht. Tante Piccarda redete mal wieder über sie. Leise schloss sie die Tür, damit man oben nicht hörte, dass sie zurück war von ihren Besorgungen. Lauschen durfte man zwar nicht, aber da es um sie ging, wollte sie doch zu gern mitbekommen, was da oben geredet wurde. Es war sicherlich nur eine kleine Sünde, die sie natürlich bei nächster Gelegenheit beichten würde.
»Und was soll das heißen, liebe Schwester?«
»Das soll heißen, dass ihre Zeit abläuft! Rosen blühen nicht ewig! Damit ist es schnell vorbei!«
»Das Kind blüht noch sehr frisch und kräftig, Piccarda!«
Fiora schmunzelte und schickte ein stummes Danke, Vater! nach oben.
»Ach was!«, kam es ungehalten von Tante Piccarda. »Sie ist doch kein Kind mehr, Emilio! Mach endlich die Augen auf! An ihr ist alles dran, was eine junge Frau haben muss, um einem Mann zu gefallen. In ihrem Alter sind die meisten schon längst verheiratet oder zumindest einem zukünftigen Ehemann versprochen. Also bring sie nicht um ihr Glück und ihre Bestimmung, indem du sie hier bei dir hältst und dich nicht um einen Mann für sie kümmerst, solange noch Zeit dafür ist!«
»Und was ist mit deiner Bestimmung, liebe Schwester?«, hielt der Vater ihr entgegen. »Hast du denn Mann und Kinder, wo doch auch an dir alles dran war, wenn ich mich recht erinnere?«
Das war gut gekontert!, lobte Fiora ihren Vater in Gedanken. Seine Hände mochten zittrig geworden sein und für die feine Goldschmiedearbeit nicht mehr taugen, aber an Verstand und Geistesgegenwart hatte er noch nicht eingebüßt.
Aus der Wohnstube kam ein kurzes geziertes Kichern. »Du alter Schmeichler! Aber damit lenkst du mich nicht ab! Bei mir ist es nun mal anders gelaufen. Ich bin schon in jungen Jahren als Küchenhilfe in Anstellung gegangen. Gott wollte es so und ich danke ihm dafür, dass ich als Köchin bei den Moretti arbeiten darf. Aber bei deiner Tochter liegen die Dinge anders.«
»Ich denke, die liegen ganz gut so, wie sie liegen«, erwiderte der Vater gelassen. »Und du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass es Fiora wahrlich nicht danach drängt, einen Mann zu heiraten und schon bald im Kindbett zu liegen.«
»Sei doch nicht so halsstarrig! Natürlich liegt Fiora dir damit nicht in den Ohren!«, erwiderte Tante Piccarda ungehalten. »Das würde sie nie tun. Seit der Herrgott deine Frau zu sich gerufen hat, möge die Gute in Frieden ruhen und Gottes Barmherzigkeit erlangen, seitdem sorgt sie sich mehr um dein Wohlergehen als du dich um ihres! Sie will dich nun mal nicht allein lassen.«
»Es ist ihr freier Wille. Und jetzt gib endlich Ruhe, Schwester! Erzähl mir lieber, was man bei den Moretti so spricht. Hast du mir nicht letztes Mal …«
Doch Piccarda redete ungerührt weiter. »Lenk nicht vom Thema ab, Emilio! Du musst ihr zeigen, dass du auch ohne ihre Hilfe auskommst. Leg dir eine billige Magd zu oder wenigstens eine Zugehfrau, die dich bekocht und sich um deine Wäsche und die Putzarbeiten kümmert. Dann wirst du schon sehen, wie schnell ihr Interesse an den Männern wächst! Mein Gott, willst du dich denn um die Freude von Enkelkindern bringen?«
»Du hast leicht reden! Auch wenn wir unser Auskommen haben, so läuft das Geschäft doch längst nicht mehr so gut wie früher. Die Konkurrenz ist groß, besonders die beim Priorenpalast.«
Das ließ Tante Piccarda, resolut wie sie war, natürlich nicht gelten. »Ach was, du hast doch noch immer einen guten Namen hier im Viertel. Es war dumm von dir, dass du nach dem Tod deiner Frau den Lehrling nicht bei dir behalten hast,
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