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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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ungnädig gewordenen Mannes zur Welt gebracht hatte, kümmerte sich eine Amme auf dem Land. Schließlich war es bei vermögenden Familien guter Brauch, Säuglinge außerhalb der Stadt aufziehen zu lassen und die Kinder frühestens nach zwei, oft auch erst nach drei Jahren zurück ins eigene Haus zu holen.
    »Piccarda war hier? Nur gut, dass ich mir ihr einfältiges Dienstbotengeschwätz nicht anhören musste«, erwiderte Costanza spitz und musterte Fiora mit kritischem Blick. »Warum hast du dir denn Vaters Lederschürze umgebunden? Sag bloß, du werkelst mal wieder wie ein billiger Knecht in seiner Werkstatt herum.«
    »Ach, ich habe nur auf das Feuer im Schmelzofen geachtet«, sagte Fiora leichthin. »Vater macht nämlich ein kurzes Schläfchen. Soll ich ihn wecken?«
    »Nein, lass nur. Ich bin eigentlich wegen dir gekommen. Gehen wir besser in die Werkstatt, damit wir ihn nicht stören.«
    Verblüfft folgte Fiora ihrer Schwester in die Werkstatt. Was mochte Costanza bloß auf dem Herzen haben? Dass sie ihr irgendetwas Privates anvertrauen wollte, glaubte sie nicht. Das würde ihr nicht ähnlich sehen. Seit Costanzas Eheschließung lebten die beiden Schwestern wie in zwei getrennten Welten.
    Umso größer war Fioras Erstaunen, als Costanza ihr in der Werkstatt einen kleinen Seidenbeutel in die Hand drückte. »Hier, das ist treggea! Das köstlichste Zuckerwerk von Bosanti, dem besten Speziale der Stadt! Ich konnte einfach nicht daran vorbeigehen und da dachte ich, nimm doch einen Beutel für deine kleine Schwester mit.«
    »Oh!«, sagte Fiora nur. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Costanza ihr schon einmal etwas mitgebracht hatte.
    »Und hier habe ich noch etwas für dich«, fuhr sie fort und zog ein kleines Päckchen unter ihrem linken Arm hervor, dessen feines Papier mit einem hübschen farbigen Seidenband umwickelt war. »Ich dachte mir, du könntest vielleicht Verwendung dafür haben.«
    »Und was soll das sein?«, fragte Fiora mit wachsender Verblüffung.
    »Es sind ein paar Ellen Stoff. Mein Tuchhändler, dieser Dummkopf, hat mir den falschen geliefert. Dieses kräftige Sienabraun steht mir nun mal nicht. Aber bevor ich es ihm wieder zurückgebe und seine tausend Entschuldigungen über mich ergehen lasse, sollst du es haben. Zu dir passt die Farbe viel besser.«
    Ungläubig löste Fiora die Schleife und wickelte den Stoff aus dem Papier. Er war wunderschön glatt und leuchtete in einem edlen dunklen Braun. Daraus würde das schönste Kleid werden, das sie je besessen hatte.
    Einen Augenblick lang sah sie ihre Schwester sprachlos an. »Gütiger Gott, so etwas Wunderschönes willst du mir wirklich schenken?«, brachte sie schließlich heraus.
    Costanza lächelte und nickte huldvoll. »Du sollst nicht glauben, dass deine große Schwester nicht an dich denkt.«
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Fiora war gerührt.
    »Du musst auch nichts sagen. Es reicht, wenn der Stoff dir gefällt und wenn du dich freust. Ach, das hätte ich beinahe vergessen«, sagte Costanza und zog noch ein kleines Büchlein hervor. »Das ist auch für dich. Es ist mir vorhin zufällig in die Hände gefallen. Es sind die Fioretti des heiligen Franz von Assisi. Irgendjemand muss es mir mal geschenkt haben, Gott allein weiß, wer. Aber das Lesen ist ja nun mal nicht meine Stärke, wie du weißt. Aber dir wird die Lektüre bestimmt zusagen. Du hattest ja schon immer einen Hang zu diesen geistigen Dingen. Ich habe mich schon oft gefragt, warum du nicht den Schleier genommen hast.«
    Fiora lachte. »Ach ja, meine kindliche Schwärmerei für das Klosterleben! Damit muss ich dir ganz schön auf die Nerven gegangen sein. Immer wollte ich das Leben der Heiligen nachspielen! Aber die Stimme der Berufung ist wohl zu leise gewesen«, sagte sie. Wenn Costanza wüsste, dass sie ihre wahre Berufung längst gefunden hatte!
    »Wer weiß, ob du nicht doch die Stimme Gottes hörst, die dich zum klösterlichen Leben ruft, wenn du einmal tief in dich hineinhorchst«, meinte Costanza. »Ich habe dich eigentlich schon immer in einem Ordensgewand gesehen, auf dem Weg zu großer Heiligkeit. Es wäre ja auch eine Ehre für Vater, was sage ich, für uns alle!«
    Fiora kam aus dem Staunen nicht heraus. Das war ja etwas ganz Neues aus Costanzas Mund. Sie glaubte sich sogar daran zu erinnern, dass ihre Schwester sich immer lustig gemacht hatte über sie, wenn sie als Kind davon gesprochen hatte, später den Schleier zu nehmen. Irgendwie wurde sie plötzlich

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