Der Pate von Florenz
wo er es doch nicht mehr weit bis zur Gesellenprüfung hatte. Stell einen neuen ein. Der bringt auch gleich das Geld von seinem Vater für die Ausbildung mit. Dann geht es mit der Goldschmiede auch wieder bergauf!«
Fiora hielt es für an der Zeit, sich bemerkbar zu machen, um ihren Vater von Tante Piccardas Vorhaltungen zu erlösen. Sie wusste ja nicht, dass ihr Bruder sein Handwerk nicht mehr ausüben konnte. Das leichte Zittern seiner Hände wusste er gut zu verbergen, für gewisse Zeit schaffte er es auch ohne sein Elixier. Und deshalb konnte ihre Tante auch nicht wissen, welches Geheimnis Vater und Tochter teilten und dass darin kein Platz war für einen Ehemann.
Leise öffnete sie die Eingangstür, ließ sie laut wieder zufallen und rief nach oben: »Vater, ich bin zurück!«
»Dann komm hoch!«, rief ihr Vater zurück und Fiora schien es, als könnte sie die Erleichterung aus seiner Stimme heraushören. »Deine Tante ist zu Besuch!«
Fiora eilte mit ihrem Korb die Stiege hoch, die von dem kleinen Vorraum vor der Werkstatt in den ersten Stock hinaufführte, und begrüßte ihre Tante herzlich. Weder Piccarda noch ihr Vater ließen sich anmerken, worüber sie sich gerade gestritten hatten.
Tante Piccarda war eine dralle, rundwangige Person, der man die gute und reichhaltige Kost ansah, die im Haus der Moretti auch auf den Tisch der Bediensteten kam. Sie gab wie üblich mit großer Zuneigung für ihre Herrschaft Klatsch und Tratsch unter der Dienerschaft zum Besten. Von ihrer Herrschaft wusste sie immer nur Gutes zu berichten. Sie blieb eine gute Stunde, dann ging sie, weil sie sich, wie gewohnt, mit einigen befreundeten Köchinnen in einer ehrbaren Gaststube am Mercato Vecchio treffen wollte, um Rezepte und natürlich Klatsch auszutauschen.
Bevor sie das Haus verließ, raunte sie ihrem Bruder zu: »Denk darüber nach, was ich dir gesagt habe!«
Fiora tat so, als hätte sie nichts gehört.
Als ihre Tante gegangen war, begab sie sich sofort in die Werkstatt. Sie wollte Feuer im Ofen machen, um nachher Bruchsilber für den Taufbecher zu schmelzen.
»Ruf mich, wenn die Glut die richtige Hitze hat! Ich lege mich derweil ein wenig hin. Irgendwie steckt mir heute die Müdigkeit in den Knochen!«, rief der Vater hinter ihr her.
»Gönnt Euch ruhig ein kleines Schläfchen, Vater. Das mit der Glut wird dauern. Und ich werde Euch das Silber schon nicht verderben«, gab sie fröhlich zurück. Später, beim Treiben der Bleche, wollte sie ihn jedoch unbedingt bei sich in der Werkstatt haben, damit er ihr mit Rat und Tat zur Seite stand, falls sie etwas falsch machte.
Die Flammen im Ofen loderten schon hoch auf, als die Türglocke anschlug. Verwundert hielt Fiora inne und legte den Blasebalg zur Seite. Wer konnte das sein? Sie hatte doch das Schild im Straßenfenster hängen lassen!
Aber sie hatte vergessen, hinter Tante Piccarda abzuschließen!
Schnell wischte sie sich die Hände, an denen noch Kohlenstaub haftete, mit einem feuchten Lappen ab und eilte nach vorn in den Laden. Ihre Überraschung hätte nicht größer sein können, als sie dort ihre Schwester Costanza erblickte, von Kopf bis Fuß in teure rubinrote Seide gekleidet, die bei jeder Bewegung himmlisch raschelte und knisterte. Unter den vielen Schlitzen der bauschigen Ärmel schimmerte der goldfarbene Stoff ihres Unterkleides hervor. Gegürtet war sie mit einem geflochtenen Band, das die beiden Farben ihres Kleides aufnahm und dazu noch mit Perlen bestickt war. Über ihrer hoch ausrasierten Stirn, die unter vornehmen Florentiner Frauen als unverzichtbares Schönheitsmerkmal galt, trug sie auf einem gepolsterten Haarreif, dem mazzocchino, eine kunstvoll hochgesteckte und zauberhaft zarte ghirlanda aus feinster Spitze. Das Haar hatte sie blond gebleicht, wie es in ihren Kreisen Sitte war. Dem goldblonden Haarton der Venezianerinnen möglichst nahezukommen war das Bestreben jeder vermögenden Florentinerin.
»Guter Gott, heute gibt sich ja die ganze Verwandtschaft die Klinke in die Hand! Vor Kurzem erst ist Tante Piccarda gegangen«, entfuhr es Fiora. Sie hatte allen Grund, erstaunt zu sein, denn der letzte Besuch ihrer Schwester lag mindestens fünf Monate zurück. Angeblich hatte Costanza nie Zeit, weil sie zu sehr mit anderen, natürlich viel wichtigeren Dingen beschäftigt war. Dabei gab es eine große Dienerschaft im Hause Sabatelli. Und um ihren anderthalbjährigen Sohn Giovanni, den sie nach zwei Fehlgeburten zur Erleichterung ihres schon recht
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