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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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erbarmungswürdigen Anblick. Überall hatte verwildertes Buschwerk den morschen Bretterzaun erobert, der die Gebäude umschloss. Ein Flügel des Tores war aus den Angeln gerissen und lag im Schmutz, die Bretter zersplittert und verrottet. Und das Erste, worauf man hinter dem Eingang stieß, waren Haufen von Abfall, fest gebackenem Lehm und zerbrochenen Ziegelsteinen. Dahinter zeichneten sich die hohen Wölbungen von drei gemauerten Brennöfen ab, schwarz von Ruß und Kohlenstaub. Links davon, unweit des Arno, duckte sich zwischen einigen kahlen Bäumen eine schäbige Hütte. Rechts und links vom schmalen Eingang war je eine quadratische Öffnung im rissigen Mauerwerk zu erkennen, keine richtigen Fenster, sondern nur winzige Luken, die Ähnlichkeit mit Schießscharten hatten. Einen Holzrahmen mit aufgespanntem ölgetränktem Leinentuch zum Schutz vor Wind und Regen suchte man darin vergeblich. Stattdessen hingen schmutzstarrende Stofffetzen von einer Querlatte herunter. Vor dem Haus hockten zwei Gestalten auf einer Bank aus Backsteinen.
    »Donner, Blitz und Gloria, steh mir bei, Allmächtiger!«, entfuhr es Silvio bestürzt. »Hier ist ja Hopfen und Malz verloren.«
    Die beiden Gestalten erhoben sich langsam und kamen ihnen gemächlichen Schrittes entgegen. Der Ältere, der Mitte dreißig sein mochte, war kräftig und stiernackig, das Gesicht grob wie ein Hauklotz. Seine schmutzstarrenden Hände sahen so groß aus wie Schaufeln. Er trug eine graue Wollkappe. Darunter quoll langes, fettiges Haar von bräunlicher Farbe hervor, das er im Nacken mit einem Stück Kordel zusammengebunden hatte. Er trug abgewetzte Stiefel, über und über geflickte Kniehosen mit rostigen Schnallen und einen speckigen rostfarbenen Wams, der mit Brandflecken übersät war. Der Jüngere hielt sich ein wenig im Hintergrund. Es war ein hagerer Bursche von Mitte zwanzig. Sein Gesicht war von Pockennarben übersät.
    »Denke mal, einer von Euch muss der junge Herr Silvio sein«, sagte der Ältere im breiten Dialekt eines Contadino. Dabei spritzte Speichel zwischen den Lücken seiner verfaulten Zähne hervor. »Ich bin hier der Vormann. Nennt mich Saccente, das tun alle.«
    »Ich bin Silvio Fontana«, sagte dieser mit finsterer Miene. Geflissentlich übersah er die ihm hingestreckte Pranke. Mit einem Kopfnicken zu Marcello an seiner Seite fügte er hinzu: »Das ist mein Bruder Marcello. Er wird auch hier arbeiten.«
    »Na dann, habe die Ehre, Ihr jungen Herren!«, sagte Saccente grinsend, deutete linkisch eine Verbeugung an und wischte sich den Rotz von der Nase. »Wollt Ihr Euch erst einmal in Ruhe umsehen, bevor ich Euch erkläre, wie es um die Ziegelei steht?«
    »Das sieht man auch so«, grollte Silvio. In herrischem Ton fuhr er fort: »Wie sieht es mit der Unterkunft in der Hütte aus, Saccente? Hoffentlich ist es da drin nicht so abstoßend dreckig wie hier draußen! Ich werde nämlich fürs Erste hier bei Euch wohnen, um ein Auge auf alles zu haben!«
    Marcello verkniff sich ein Grinsen. Das hatte Silvio geschickt formuliert, wenn man bedachte, dass der Vater das so angeordnet hatte. Aber auf diese Weise wahrte er das Gesicht vor den beiden Arbeitern und zwang sie, respektvoll mit ihm umzugehen.
    Saccente zuckte mit den Achseln. »Mit den Annehmlichkeiten, die der junge Herr von zu Hause gewöhnt ist, können wir natürlich nicht dienen«, gab er frech zur Antwort, als hätte er längst durchschaut, warum Silvio in Wirklichkeit bei ihnen Quartier bezog. »Aber Ihr habt die freie Wahl, wo Ihr Euer Haupt betten wollt. Wir nehmen das, was Euch weniger gefällt.«
    Silvio knurrte übellaunig und begab sich in die Hütte.
    Marcello blieb dicht hinter ihm, wollte er doch unbedingt sehen, in welchem Dreckloch sein Bruder von jetzt an hausen musste.
    In der Hütte sah es noch schlimmer aus, als sie befürchtet hatten. Direkt hinter der Tür gab es einen kleinen Vorraum mit einer verrußten Feuerstelle, über der ein Dreibein mit einem eingehängten eisernen Kessel stand. An dessen Rand klebte eine dicke Schicht aus alten Essensresten. Es sah aus, als wäre der Kessel schon seit Jahren nicht mehr ausgewaschen worden. Vom Vorraum ging nach rechts und links je eine Kammer weg. Es waren dunkle, feuchtkalte Verschläge. Darin standen klobige Bettgestelle mit muffig riechenden dünnen Strohsäcken als Matratze und alten, mottenzerfressenen Decken. Zwischen den Balken der niedrigen Decke hingen große Spinnweben.
    Vor lauter Entsetzen brachte Silvio kein

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