Der Pate von Florenz
kam aus dem Staunen nicht heraus. Costanza hatte sie seit der Taufe des kleinen Giovanni nicht mehr in ihren Palazzo eingeladen und Fiora kannte auch den Grund dafür. Ihre Schwester schämte sich ihrer ärmlichen Verwandtschaft. Und nun das! Verblüfft nickte sie.
»Gut! Dann wäre das abgemacht. Grüß Vater von mir.« Und damit rauschte sie auch schon aus dem Haus. Zurück blieb der schwere Duft von Lavendel.
Verwirrt stand Fiora mitten im Laden. Sie wusste nicht, wie ihr geschehen war. Plötzlich schien es ihr, als hätte sie den seltsamen Besuch ihrer Schwester, deren zuckersüßes Gerede und die Geschenke nur geträumt. Aber sie lagen noch immer in der Werkstatt auf dem Tisch.
Was, in Gottes heiligem Namen, war nur plötzlich in ihre Schwester gefahren?
10
K urz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte Marcello die Ponte alle Mosse, die kurz vor dem Torhaus der Porta al Prato über den kanalisierten Mugnone führte. Hier befand sich eine der Grenzstationen, wo die Zollinspektoren der Kommune jeden kontrollierten, der in die Stadt wollte. Egal, ob man eine ganze Wagenladung Weinfässer oder auch nur ein einziges Huhn nach Florenz hineinbringen wollte, für alles musste man die beim Volk so verhasste gabella entrichten, die Torsteuer. Die Staatskasse der Republik war nach mehreren kostspieligen Kriegszügen so gut wie leer und der Hunger der Steuereintreiber nach neuen Abgaben wurde immer gieriger. Auch Marcello musste seinen Umhang lüften, um zu beweisen, dass er nicht versuchte, zollpflichtige Waren an der Kontrolle vorbei in die Stadt zu schmuggeln.
Die mit Hellebarden bewaffneten Wachsoldaten traten müde von einem Bein aufs andere, während sie ungeduldig darauf warteten, dass sie, wenn das letzte Licht des Tages verloschen war, endlich das schwere Bohlentor verrammeln und den Dienst der hoffentlich pünktlich eintreffenden Nachtwache überlassen konnten.
Während Marcello die breite Via del Prato hinunterging und sich dann nach links in Richtung der Piazza di Santa Maria Novella wandte, dachte er über das bittere Schicksal nach, das Silvio zu erleiden hatte. Trotz des frostigen Windes, der auch jetzt noch durch die Straßen fegte, hatten sie sich ordentlich ins Zeug gelegt, um auf dem Gelände für eine erste bescheidene Ordnung zu sorgen. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen und trotzdem würde es noch lange dauern, bis es auf der Ziegelei annehmbar aussah und man mit dem Formen und Brennen von Ziegeln beginnen konnte.
Aber die üble Schufterei ließ sich ertragen, wenn man wusste, dass man am Abend in die Stadt zurückkehren, sich an einen reich gedeckten Tisch setzen und sich später in ein weiches Bett legen konnte. Nichts davon würde Silvio für lange Zeit vergönnt sein. Und er bedauerte seinen Neffen aufrichtig, dass dieser die Nächte in der abscheulichen Hütte der Ziegelei mit dem mundfaulen Saccente und dem einfältigen Gehilfen Pico verbringen musste. Diesmal hatte der Vater wahrlich kein Erbarmen mit seinem Enkelsohn gehabt.
Marcello hatte den Domplatz schon fast erreicht, als ihm siedend heiß einfiel, dass er Fiora versprochen hatte, noch heute die Brosche abzuholen. Er wusste, wie wichtig ihr das war. Schnell wandte er sich nach rechts in die Via Belli Sporti und schon bald hatte er die Straße der Metallhandwerker und die Goldschmiede von Emilio Bellisario erreicht.
Die Haustür war noch nicht verriegelt und so trat er unter dem hellen Ton der Türklingel in den kleinen Laden, in dem eine Öllampe brannte. Sogleich erschien Fiora aus der Werkstatt.
»Und ich dachte schon, du hättest doch keine Zeit gefunden, heute noch zu kommen«, sagte sie erleichtert.
»Ist doch Ehrensache, Fiora! Versprochen ist versprochen.«
Sie lächelte ihn dankbar an. Als oben eine Tür knarrte, rief sie schnell: »Es ist nur Marcello Fontana, Vater! Er kommt, um die Brosche abzuholen. Es wird nicht lange dauern. Danach bereite ich das Essen zu.«
»Sag ihm, er soll Grüße an seinen Vater ausrichten!«, rief der Goldschmied zurück.
»Das werde ich gern tun, Meister Emilio!«, antwortete Marcello laut. Dann hörte er, wie die Tür oben wieder geschlossen wurde.
»Ich hole deine Brosche«, sagte Fiora eifrig, huschte zurück in die Werkstatt und kam Augenblicke später mit einem kleinen Lederbeutel zurück. Sie öffnete die Verschnürung, holte die runde Silberbrosche von der Größe einer mittelgroßen Handfläche hervor und legte sie vor Marcello auf das weiche Filztuch. »Ich hoffe, sie
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